Vor 100 Jahren am 3. Oktober 1920 wurde der erste Prix de l’Arc de Triomphe gelaufen. Es siegte Comrade aus dem Stall von Evremond de Saint-Alary, geritten von dem in Deutschland bestens bekannten Frank Bullock und trainiert von Peter-Purcell Gilpin. Die Dotierung betrug 200.425 Francs, der Sieger bekam 172.425 Francs. Die Zeit des Siegers für die 2400m betrug 2:39,0, der Boden war gut.
2020 wird der Arc seit 100 Jahren gelaufen, aber während des WK II 1939 und 1940 fiel er aus, so daß im 100. Jahr des bestehen des Rennens der 98. Arc zur Austragung kommt. Und es ist ein spannender Arc mit einer Besetzung, die der Bedeutung des Rennens gerecht wird. Schon lange im Vorfeld des Arc ist dabei die beherrschende Frage in den Diskussionen, ob Enable. ob Enable als „Königin von Longchamp“ an diesem Sonntag zur Kaiserin gekrönt werden wird, ob sie das erste Pferd in der Geschichte dieses Rennens wird, das dreimal in die Siegerliste eingetragen wird.
Sie ist eine von drei Pferden, allesamt Stuten, die den Prix de l’Arc de Triomphe nicht nur zweimal gewonnen haben, sondern auch in einer dritten Austragung platziert gelaufen sind. Die Mutter aller Arc-Königinnen ist immer noch die von Marcel Boussac gezogene “ Wunderstute“ Corrida die 1935 als Dreijährige Dritte wurde und das Rennen 1936 und 1937 gewonnen hat.
Ich möchte es vorweg nehmen, ich glaube nicht, daß am Sonntag die Krönungsmesse zur Kaiserkrönung für Enable in Paris nicht gelesen wird. Es sind nicht alleine die insgesamt erstklassigen Gegner, die dies verhindern werden, sondern es ist Petrus, der den Boden von Longchamp mit so viel Regen bedacht hat, daß er offiziell als „schwer“ angegeben wird. Schon im letzten Jahr, als Waldgeist auf weicher Bahn vor Enable siegte, stellte ihr Trainer John Gosden vor dem Rennen fest, daß es auf dem aufgeweichten Boden für seine Stute keine echte Siegchance gebe.
Es wundert mich deswegen doch einigermaßen, daß die Stute immer noch als heißer Favorit gehandelt wird.
Schon im Vorfeld haben die intensiven Regenfälle in Paris ein erstes „Opfer“ für das Monstre-Rennen gefordert. Love aus dem Stall des irischen Supertrainers Aidan O’Brien wurde im Vorfeld gestrichen, weil ihr der aufgeweichte Boden nicht zusagt.
15 Pferde rücken am Sonntag in die Stadtmaschine ein. Nachfolgend eine kurze Vorstellung der Kandidaten mit einer sehr persönlichen Chancenbewertung.
Persian King
Der Sohn des Klasse-Meilers Kingman versucht sich erstmals über 2400 m. Als letztjähriger Sieger der „Poule Poulains“ und zweitplatzierte im französischen Derby gehört er natürlich den besten Pferden seines Jahrgangs. Dieses Jahr war er Sieger im Prix d’Ispahan über 1800m und im Moulin de Longchamp über 1600m. Zweifelsohne ein erstklassiges Pferd, aber 2400m sind nicht seine Welt.
Royal Julius
er war zuletzt Zweiter in Mailand in einem Gruppe zwei Rennen über 2000m. In diesem Feld ist aber eindeutig überfordert.
Way to Paris
Der Sieger des diesjährigen Grand Prix de Saint Cloud ist sicherlich ein gutes Pferd, der auch über genügend Stamina verfügt, aber auch für ihn wird es in diesem Klasse Feld schwer werden, in die Platzierung zu laufen.
Japan
Der Galileo Sohn aus dem Stall von Aidan O’Brien gehört in jedem Fall zu den interessanten Kandidaten des Rennens. Letztes Jahr wurde er hier vierter und gewann im Sommer den Grand-Prix de Paris. Dieses Jahr ist er noch sieglos, war in Ascot deutlich zurück Dritter in den King George und zuletzt fünfter in Leopardstown. Die aktuellen Form sind damit weder die weniger die große Empfehlung, aber nach seiner dreijährigen Form ist er ein interessanter Kandidat und wenn er den Boden kann, sollte er vorne dabei sein.
Sottsass
Der Sieger des letztjährigen französischen Derbys gewann dieses Jahr den Prix Ganay. In den zuletzt war er in den Champions Text von Leopardtown vierter und damit vor Japan. Ein Sieganwärter ist er eher nicht, aber sicherlich ein interessantes Pferd für eine Platzierung. Im letzten Jahr wurde er Dritter zu Waldgeist und Enable.
Souvereign
Der Sieger des letztjährigen irischen Derbys ist dieses Jahr ebenfalls noch sieglos. Als Vertreter des großen O’Brien Stalls sollte man ihn nicht ganz außen vor lassen. Die aktuellen Formen machen ihn aber nicht zu einem Kandidaten für die Geldränge.
Stradivarius
Ein absoluter Superstar, der die große Unbekannte dieses Rennens ist. Sein Element sind eigentlich die großen Cup-Rennen also die Rennen über eine Distanz von mehr als 3200 m. Er ist einer von drei dreifachen Siegern des Ascot Gold Cups und der einzige vierfache Sieger des Goodwood Cups. Aber 2400 m? Eigentlich ist das Rennen zu Ende, bevor Stradivarius richtig auf Betriebstemperatur gekommen ist.
Zuletzt war er Zweiter im Prix Foy, dem Arc-Trial für die älteren Pferde zu Anthony van Dyck. Die Form ist sicher respektabel aber die älteren Pferde waren rund 9 Sekunden langsamer, als die Dreijährigen im Grand Prix de Paris am gleichen Tag. Allerdings ist Petrus sein Freund, er kann weichen Boden und das schwere Geläuf verändert die Bedingungen, sodass er zu den sehr chancenreichen Kandidaten gerechnet werden muß. Etwas salopp gesagt, die 800m, die das Rennen für Persian King zu lang ist, ist es für Stradivarius zu kurz.
Deirdre
Seit vielen Jahren versuchen die Japaner, das prestigeträchtige Rennen in Paris zu gewinnen. Teilweise haben sie dafür ihre besten Pferde an die Seine geschickt aber das Turf-Glück war ihnen in Paris nie hold gewesen. Die diesjährige Starterin aus dem Land der aufgehenden Sonne gehört allerdings nicht zu den guten Pferden aus Japan und muss als chancenloser Kandidat betrachtet werden. Interessant ist noch die Tatsache, daß sie zuletzt 2018 in Japan ein Rennen bestritten hat und danach nur noch im Ausland, in Dubai, Hongkong und England gelaufen ist.
Gold Tip
Er ist der beste Nachkomme aus dem ersten Jahrgang seines Vaters Outstrip. Nachdem er im Derby chancenlos im geschlagenen Feld einkam, war er vor drei Wochen Dritter im Grand Prix de Paris. Diese Form sollte für eine Plazierung gut genug sein. Wenn er den Boden kann.
Chachnak
Der Kingmman Sohn ist einer der Dreijährigen im Feld. Im diesjährigen Französischen Derby war im geschlagenen Feld ein, zuletzt gewann er den Prix du Prince d’Orange über 2000 m vor drei Wochen hier auf der Bahn. Wenn er sich nich als Bodenspezialist erweisen sollte, muß man ihn hier zu den chancenlosen Kandidaten rechnen.
In Swoop
Der Deutsche Kandidat, der in Frankreich trainiert wird, hat für mich allererste Chancen. Im Grand Prix de Paris kam er mit mächtigem Speed auf dem zweiten Platz ein. Das Rennen wurde nach meinen Unterlagen in der drittschnellsten Zeit gewonnen, die jemals in Longchamp gelaufen wurde und es war für den Adlerflug-Sohn auch erst der vierte Start im Leben überhaupt. Davor gewann er das Derby in Hamburg auch mit riesigem Speed. Sein Vater Adlerflug gewann das Derby in Hamburg auf sehr weicher Bahn und ein Jahr später den Deutschland-Preis (Großer Preis von Berlin), damals noch in Düsseldorf gelaufen, auf schwer Bahn. Der Boden sollte ihm deswegen „schmecken“. In Swoop gewan sein Debut auf weicher Bahn, im Derby war der Boden offiziell gut bis weich.
Mogul
Auf den Inseln hatte Mogul als Vertreter des O’Brien-Quartiers noch keine Bäume ausgerissen. Seine beste Form ist der Sieg im Grand Prix de Paris, in dem er in sehr schneller Zeit gegen In Swoop. In Ascot blieb er auf Boden gut bis weich als Favorit unter den Erwartungen und wurde Vierter. Ich glaube nmicht, daß er ein Freund weicher Bahn iist und deswegen sehe ich ihn hinter In Swoop
Serpentine
Den amtierende Epsom-Derby-Sieger aus dem O’Brien Stall darf man nicht ignorieren. Aber im Grand Prix de Paris war er als Vierter zwar nicht weit zurück. Aber einen echten Grund für eine Formumkehr gegen die drei Erstplazierten sehe ich nicht.
Raabihah
Die Sea the Stars Tochter ist nach Enable die zweite Stute im Feld. Zuletzt war sie Zweite im von Tarnawa gewonnenen Prix Vermeille. Sie wird von dem geringen Gewicht profitieren, das sie als dreijährige Stute zu tragen hat. Man sollte ihr ein Platzgeld zutrauen.
Und die Moral von der Geschicht?
Es bleibt Enable zu wünschen, daß sie trotz des für sie unpassenden Bodens in die Plazierung läuft. Die Stute ist inzwischen auch eine Art Botschafterin des Turfs geworden. Auch wer sich für die Materie kaum interessiert, kennt ooft wenigstens den Namen der Stute. Ihre größten Gegener sind für mich Strativarius, der durch den Boden vielleicht auch auf 2400m eine scharfe Klinge schlagen kann. Dazu In Swoop, der f+ür mich den Boden kann und der Schlenderhan im 151. Jahr des Bestehens endlich mal einen Sieg im Arc verschaffen könnte und vielleicht noch Mogul oder Raabihah auch wegen des Gewichtsvorteils!
Letzte Meldung
Nachdem ich diese Zeilen geschrieben habe, las ich auf Twitter die Meldung, daß die Pferde von Aidan O’Brien noch Rückstände einer nicht erlaubten Substanz im Urin haben. Es bestünde zwar die begründete Hoffnung, daß diese Reste bis Sonntag abgebaut würden. Aber um die Integrität des Rennens und des Rennsports insgesamt nicht in Frage zu stellen und zu beschädigen werden alle O’Brien-Pferde als vom Vater und seinen beiden Söhnen am Sonntag Nichtstarter.
Ein Arc ohne Pferde aus dem Stall von Aidan O’Brien, das ist wie eine salzlose Suppe oder wie die Bundesliga ohne Bayern München. Dieses Jahr das erste mal ujnd nicht wegen Corona sondern wegen eines Fehlers beim Futtermittelhersteller, in dessen Haut ich nicht stecken möchte.