Genauso wieder jeder Mensch seine Ideale definiert, tun dies Parteien und Vereine. In den Parteiprogrammen ist formuliert, welche Ziele man erreichen möchte, wie man in politischer Verantwortung die Gesellschaft und das Leben der Menschen gestalten möchte.
Bürgermeister Feldmann hat in seinem Thesenpapier zur Kulturpolitik einige bemerkenswerte Kernaussagen formuliert. So unter Punkt 3 “Kultur ist Verbreiterung, nicht Elitisierung” Der Galoppsport in Frankfurt ist Breitensport mit ein wenig Spitzensport, der DFB und das geplante Leistungszentrum sind Elite und nicht Breitensport. Das Leistungszentrum wird eine abgeschlossene Enklave sein, die für die Bürger nicht zugänglich ist. Die Rennbahn ist eine offene Anlage, die die Bürger Niederrads jederzeit betreten können und die für vielfältige Freizeitgestaltung genutzt wird.
Ich zitiere weiter: “die neuen Medien haben für Transparenz, ein schier unübersehbares Angebot und erhöhten Wettbewerb gesorgt. Das führt aber dazu, dass oft nur die ohnehin Etablierten auf Kosten nicht publicityträchtiger Kleininitiativen nach oben katapultiert werden”. Genau hier hat er das Problem beschrieben, welches wir im Moment im Galoppsport im Vergleich zum Fußball haben. Eine nahezu perfekte Formulierung.
Aber auch in anderen Bereichen haben die in Deutschland dominierenden Parteien den Pluralismus in der Wirtschaft und in allen Bereichen der Gesellschaft als Ideal formuliert. Nicht der Mainstream soll gefördert werden, sondern ein möglichst breites Angebot sowohl im Wirtschaftsleben als auch in den anderen Bereichen des Lebens. Keine Monopolbildung, sondern Vielseitigkeit ist das angestrebte Ziel. Dazu gehört der Erhalt der Natur, der Umweltschutz, dem sich besonders die Grünen verpflichtet fühlen.
Würde man es nicht kulturpolitisch, sondern wirtschaftspolitisch formulieren, so steht mit dem DFB ein großer Konzern mit fast schon monopolartigen Elementen dem relativ kleinen Galoppsport gegenüber.
Aber werden die Ideale, die in den Parteiprogrammen und Thesenpapieren formuliert sind, auch wirklich gelebt?
Es steht eine Entscheidung im Magistrat der Stadt Frankfurt an, die eigentlich gar nicht anstehen dürfte – die weitere Verwendung der altehrwürdigen Frankfurter Galopprennbahn.
Diese Entscheidung dürfte eigentlich nicht anstehen, weil 2011, vor gerade einmal drei Jahren ein Vertrag über die Nutzung des Geländes mit einer Laufzeit von 15 Jahren und einer Option von weiteren 15 Jahren geschlossen wurde.
Wie würden die Mitglieder des Magistrats wohl denken, wenn ihnen nach drei Jahren mitgeteilt wird, daß ihr eigentlich noch 12 Jahre laufender Vertrag beendet wird, weil der Eigentümer ein besseres Angebot erhalten hat? Würden sie sich nicht auch verschaukelt fühlen, um es einmal dezent zu formulieren? Würden sie nicht auch auf Erfüllung des Vertrages pochen und alle Mittel ausschöpfen, dies zu erreichen? Es gehört doch zu den allgemeinen Gepflogenheiten, daß Verträge von beiden Seiten erfüllt werden müssen.
Der DFB möchte das Gelände haben, um dort ein Leistungszentrum zu errichten. Der DFB ist der größte Sportverband der Welt. Er hat sich und den angeschlossenen Fußballvereinen durch eine geschickte Geschäftspolitik in den Medien eine Fast-Monopolstellung geschaffen und wird durch die Allgemeinheit in vielfältiger Weise subventioniert. In NRW werden z. B. ein Drittel der Kosten für Polizeiarbeit vom Fußball verursacht. Kosten, die nicht der DFB oder der Verein trägt, sondern die Allgemeinheit. Die Rechte zur Übertragung der Bundesliga-Spiele werden aus den allgemeinen Rundfunkgebühren finanziert. Ein großer Teil des Wohlstands der Fußball-Welt wird aus allgemeinen Abgaben bezahlt, die jeder Bürger leisten muß, ganz gleich, ob er am Fußball interessiert ist oder nicht.
Ich möchte hier noch einmal an das Thesenpapier von Bürgermeister Feldmann erinnern: “die neuen Medien haben für Transparenz, ein schier unübersehbares Angebot und erhöhten Wettbewerb gesorgt. Das führt aber dazu, dass oft nur die ohnehin Etablierten auf Kosten nicht publicityträchtiger Kleininitiativen nach oben katapultiert werden”. Und genau das ist mit dem Fußball passier. Der etablierte Fußball ist auf Kosten kleinerer Sportarten nach oben katapultiert worden und nutzt diese Macht jetzt aus.
Es geht bei dem Gelände der Frankfurter Rennbahn nicht um irgendeine kleine Sportstätte, es geht um eine der ältesten Sportanlagen in Deutschland überhaupt, mit einer Tradition von über 150 Jahren, auf der sowohl Breitensport als auch Spitzensport ausgeübt wird. So trainieren in Frankfurt z. B. der Weltmeister der Amateurrennreiter sowie die Bronzemedaillengewinnerin der Damenwertung, Rebekka Unrath. Es ist zudem die einzige Galopprennbahn in Hessen und ein Wegfall hätte fatale Folgen für den Galoppsport in Deutschland.
Und diese Tradition soll nun mit einem Federstrich beendet werden, weil der angebliche König Fußball einen Teil des Geländes haben will? Der Fußball ist in meinen Augen Vieles, aber nicht königlich, denn dann würde er nicht einfach eine andere Sportart in derart rücksichtsloser Weise verdrängen wollen.
So wie viele Rennbahnen in Deutschland ist auch die Frankfurter Galopprennbahn eine grüne Lunge für die Stadt. Sie ist offen für alle Bürger und davon wird in Frankfurt von den Anwohnern vielfältig Gebrauch gemacht. Die Jogger schätzen die vorzügliche Grasbahn, auf der man viel angenehmer und gesünder laufen kann als auf einer Asphaltpiste. Die Rennbahn ist eigentlich aus dem Stadtbild von Niederrad nicht mehr wegzudenken.
Es mutet deswegen sonderbar an, wenn aus dem Magistrat die Forderung nach einem Bürgerpark auf dem verbleibenden Rennbahngelände erhoben wird. Eigentlich ist die Rennbahn fast schon ein Bürgerpark und in der Umgebung gibt es städtische Flächen, auf denen ein Bürgerpark gestaltet werden könnte. Z. B. das Gelände von Haus Waldfried, dem ehemaligen Wohnsitz von Paul v. Weinberg, das die Stadt “günstig” erhalten hat.
Die Rennbahn liegt im Landschaftsschutzgebiet, teilweise Zone 1, teilweise Zone 2. Damit scheidet eine Bebauung, ganz gleich in welcher Form, aus. Nur priviligierte Berufsgruppen, wie z. B. Landwirte dürfen im Landschaftsschutzgebiet bauen und die dafür erforderlichen Bedingungen erfüllt der DFB nicht einmal im Ansatz. Streng genommen dürfte er auf dem Gelände nicht einmal eine Garage errichten.
Will man auch hier das Ideal des Landschaftschutzes auf dem Altar des DFB opfern?
Der Vertrag über die Frankfurter Rennbahn hat einige Besonderheiten. Nicht der Rennverein als Nutzer der Anlage ist der Vertragspartner, sondern die Hippodrom GmbH.
Durch diese Vertragskonstruktion kann der Rennverein als der eigentlich Betroffene nicht direkt Einfluß auf seine Geschicke nehmen. Dies geschieht indirekt durch die GmbH und den Geschäftsführer-Gesellschafter Manfred Hellwig.
Juristisch ist er der Vertragspartner der Stadt, für den Rennsport ist er aber erst einmal Treuhänder, der bei seinem Handeln zuallererst die Interessen seines Mandatsgebers zu berücksichtigen hat. Es ist mehr als nur schlechter Stil, Herrn Hellwig jetzt in eine Situation zu bringen, in der aufgefordert wird, eine Entscheidung gegen seinen Mandatsgeber zu treffen. Eigentlich wird er aufgefordert, Verrat zu begehen.
Und an dieser Stelle könnte man alle Überlegungen abbrechen, wenn der Hippodrom GmbH ein Weinberg vorstehen würde – denn dieser würde alles abprallen lassen und auf den Vertrag verweisen, an den die Stadt gebunden ist.
Es ist in gewisser Weise der Kampf David gegen Goliath, hier der kleine Galopprennsport mit den Unternehmen, die auf der Rennbahn ihr Geld verdienen und dort der mächtige DFB und die Fußballmillionäre.
Selbst wenn die Stadt die Hippodrom GmbH entschädigen würde, gingen die eigentlich Betroffenen, der Rennverein und die auf der Rennbahn tätigen Unternehmen leer aus. Die Unternehmen verlieren dabei “nur” die eigene Existenz.
Der DFB als der größte Sportverband der Welt und einer der Wohlhabendsten bekommt ein Frankfurter Filet-Stück zum Freibankpreis offeriert. Wenn Präsident Niersbach das Grundstück haben möchte, soll er es auch bezahlen. 100 EUR/qm für 45 ha macht 45 Millionen EUR. Von diesem Geld baut die Stadt dem Rennverein eine neue Anlage vor der Stadt. Es wundert, daß eine solche Alternative bisher nicht diskutiert wurde. Die Presse berichtet, daß die Zuweisung der Fifa an den DFB aus der Fußball-WM allein 14 Mio betragen soll. An der fehlenden Finanzkraft des Käufers kann es also nicht scheitern.
Am Montag soll der Magistrat über die weitere Verwendung des Rennbahngeländes entscheiden. In der Frankfurter Rundschau war zu lesen, daß der Prinz zu Löwenstein als Vorsitzender der CDU-Fraktion ein Bekenntnis des Magistrats zum Vertrag mit dem DFB erwartet. Anders ausgedrückt, der Prinz zu Löwenstein erwartet ein Bekenntnis zum Vertragsbruch mit der Hippodrom GmbH als Treuhänder für den Galopprennsport.
An den Sproß eines hessischen Hoch- und Uradelsgeschlechts und dazu einem studierten Juristen habe ich eigentlich andere Erwartungen – Nicht die Fahne in den Wind zu hängen, weil es gerade Mode ist, sondern Verträge zu respektieren und Anstand zu leben: Üb immer Treu und Redlichkeit bis an Dein kühles Grab und weiche keinen Finger breit von Gottes Wegen ab!
Von den Mitgliedern des Magistrats von Frankfurt wird nicht weniger erwartet, als daß sie innerhalb kürzester Zeit über den Untergang der ältesten Sportstätte Frankfurts, einer grünen Oase in der Großstadt mit mittelständischen Unternehmen und der Schönsten aller Sportarten entscheiden sollen. Und indirekt entscheiden sie auch über die Beseitigung des Erbes der Gebrüder Weinberg, die den Rennclub in Frankfurt mit viel Leidenschaft und finanziellem Einsatz zu einem der großen Sportvereine in Deutschland gemacht haben. Die Mitglieder des Magistrats sollen dabei auch die in den Parteiprogrammen geschriebenen Grundsätze und Ideale einfach beiseite schieben – allein damit der großmächtige DFB noch ein Stück mächtiger wird und wieder eine kleine Sportart verdrängt.
Die Entscheidung über das Rennbahngelände ist auch ein Lakmustest für die Wahrheit der Parteipolitik und die Aufrichtigkeit und den Anstand in der Politik überhaupt!