Der belgische Rennsport ist bekanntlich viel tiefer gefallen, als der deutsche Rennsport. Das Hippodrom Wellington im Badeort Ostende, einet die belgische Paradebahn, war jahrelang dem Verfall preisgegeben und wurde jetzt als Denkmal restauriert. Rennen werden dort gelegentlich auch noch gelaufen.
Die einst dort gelaufenen großen Rennen, wie der Grand Prix Prince Rose mit einer Dotierung wie in Deutschland ein Gruppe-1-Rennen, oder die teilweise sehr hoch dotierten Handicaps sind alle Geschichte. Vorbei die Zeiten, als die französische Wunderstute Corrida, immerhin doppelte Arc-.Siegerin, in Ostende gewann oder Königsstuhl nicht gewinnen konnte und die vielen anderen Pferde, die in England, Frankreich und Deutschland in der Grand Prix-Klasse zu Hause waren und in Belgien gut dotierte Rennen vorfanden. 1956, als Ribot die King George in Ascot gewann, war ein Belgier Dritte in diesem englischen Parade-Rennen. Eine Plazierung, die ein Deutscher noch nicht erreicht hat. Vorbei, Geschichte, tempi passati!
Der belgische Rennsport existiert noch als Basissport mit Dotierungen um die 2.000 bis 4.000 EUR, überwiegend auf der Sandbahn in Ghlin gelaufen. Das belgische Derby hat eine Dotierung von 8.000 EUR, soviel wie in Deutschland ein Ausgleich 2. Rennen finden nur selten statt und deswegen sind die Belgier gerne Gast auf Deutschlands Bahnen und stellen vor allem im Winter ein nicht zu verachtendes Starterkontingent. Eine Ausnahme macht Waregem, wo hoch dotierte Hindernisrennen gelaufen werden.
In Frankreich machen die Großbahnen in Paris ab November bis März Winterpause. Der französische Rennsport findet dann überwiegend in Cannes an der Riviera statt. PMU, die Wettorganisation des französischen Turfs managt nicht nur den Heimatmarkt vorzüglich, sonder expandiert inzwischen auch in andere europäische Länder. Aber im Winter fehlen einfach Rennen, die man dem Publikum zum Wetten anbieten kann.
Neuester Coup der erfolgreichen Franzosen ist eine Kooperation mit den gebeutelten Belgiern. Vom 15. Oktober ab werden die Rennen im belgischen Ghlin-Mons als PMU Rennen veranstaltet und von France Galop organisiert. Nennungen, Starterangaben etc. werden über Frankreich abgewickelt.
Die Rennpreise bewegen sich zwischen 8.000 und 11.000 EUR – viel Geld für Winterrennen. Damit ist die Dotierung teilweise höher als im Derby und höher als bei den deutschen Winterrennen.
In Deutschland sind die Winterrennen seit vielen Jahren in der Diskussion. Waren vor einigen Jahren noch jedes Wochenende zwei Veranstaltungen in Neuss und Dortmund, so hat man inzwischen Probleme, eine Veranstaltung am Wochenende mit ansprechenden Feldern über die Bühne zu bekommen.
Es lohnt für die Besitzer einfasch nicht mehr, die Rennpreise sind nominal in etwa so hoch wie Ende der 70iger, effektiv also ungefähr ein Drittel von damals. Trotzdem müssen die Winterrennen massiv aus einem Sonderfonds subventioniert werden, weil die Wettumsätze nicht ausreichen, die Kosten des Renntages und die Rennpreise zu bezahlen. Es sind auch nicht unbedingt spannende Rennen, ein Ausgleich 3 ist schon was Gutes auf der Winterkarte und wenn man die Rennen insgesamt als “Basissport” bezeichnet, dann ist das teilweise eine wohlwollende Titulierung – aber was will man bei den Rennpreisen auch erwarten? Not gegen Elend wäre teilweise die treffendere Bezeichnung, ohne daß ich die teilweise sehr passionierten Aktiven damit diskreditieren möchte.
Die neue Situation im Nachbarland wird die Sache für die Deutschen nicht einfacher machen. Ein Großteil der belgischen und wahrscheinlich auch holländischen Starter wird wahrscheinlich in Ghlin laufen, weil es da einfach mehr Geld gibt. Gleiches gilt für viele deutsche Ställe. Für die 2,5-fache Dotierung kann man gerne mal 200 km fahren und vom Saarland ist es nach Belgien nicht wesentlich weiter, als nach Neuss oder Dortmund.
Man darf gespannt sein, ob und in welcher Form es 2011/2012 in Deutschland Winterrennen geben wird.
Was wäre, wenn Deutschland eine ähnliche Kooperation mit PMU vereinbaren würde? Es wäre eine Zäsur im deutschen Rennsport, die es in dieser Form, formal noch nicht gegeben hat – man würde die Hoheit über die Rennveranstaltung auf einer deutschen Bahn abgeben. Man würde nichts weniger als die Souveränität abgeben. Eine Kröte, die schwer verdaulich ist und erst mal geschluckt werden muß.
Aber hat man eigentlich noch eine wirkliche Souveränität über den Sport in Deutschland? Das geschäftsführende Vorstandsmitglied erklärte bei der Jahrespressekonferenz im Frühjahr, daß er zum Totoumsatz keine Erwartungswerte nennen möchte, weil man nicht wisse, wieviel die Buchmacher denn vermitteln werden. Man ist also schon zum Spielball fremder Mächte geworden, ist abhängig vom Wohlwollen der Buchmacher, die nach Belieben den Geldhahn aufdrehen und zudrehen können, ganz wie es Ihnen gefällt.
Der Sport kommt einfach nicht in die Pötte – selbst Baden Baden gibt das altehrwürdige Fürstenberg Rennen nach Hannover. Es war dort seit 1880 zu Hause, ein fester Bestandteil des Badener Kalenders. Überhaupt ist der Rennkalender aus den Fugen geraten. Traditionsrennen werden nicht mehr unbedingt auf der Bahn gelaufen, auf der sie seit Jahrzehnten ansässig sind, sondern dort, wo der Veranstalter gerade mal Geld und Sponsoren hat, um einen Renntag zu finanzieren. Dazu kommen jährliche wechselnde Namen auch für Topereignisse und natürlich wechselnde Konditionen und Distanzen. Die Tradition der Rennen geht langsam aber sicher den Bach hinunter.
Was würde es also ausmachen, wenn France Galop als Veranstalter der Winterrennen in Neuss und Dortmund auftreten würde? Eigentlich nichts, außer das es anständige Rennepreise geben würde und man gegen die belgischen Nachbarn bestehen könnte. Das Winterprogramm wäre gesichert und die Pferde würden anständiges Geld verdienen – mehr als die Kollegen, die im Frühjahr auf Gras an den Start gehen und normale deutsche Rennpreise bekommen würden.
Der deutsche Toto könnte wahrscheinlich parallel weiter laufen und die Buchmacher dürfen dann wohl auch mitmachen – und wie üblich den Hahn auf oder zudrehen. Oder würde France Galop da ein Exampel statuieren und dem Buchmacherunwesen einen Riegel vorschieben wird?
Es wird jedenfalls ein spannender Winter in Turfdeutschland werden. Ob man die französische Hilfe in Anspruch nehmen wird? Ob man sie gewährt bekommt, ob man einfach über Winter zusperrt, weil es sich nicht lohnt, gegen Belgien zu veranstalten?
Ob man in Köln den Mut hat, in Frankreich anzurufen um unter den französischen Rettungsschirm zum flüchten? Am Ende wird es hoffentlich nicht an Sprachproblemen scheitern.