Einer der großen Jockeys der deutschen Nachkriegsgeschichte ist am vergangenen Donnerstag in einem Altenheim in Köln verstorben.
Jean Pall wurde 1930 in Rumänien geboren. Ein internationales Meeting der Ostblockstaaten in Hoppegarten nutzte er 1954 zur Flucht in den Westen. Und wie bei fast allen Rennsport-Flüchtlingen aus dem Ostblock war das Gestüt Röttgen die erste Anlaufstation. Graf Janos Pejacsevich, Peter Alafi, Dr. Alois Szemes und andere sind nach dem Ungarn-Aufstand 1953 auch erst einmal nach Röttgen geflüchtet.
Allerdings hat Joan Pall erst mal nicht für Röttgen geritten, jedenfalls geben das meine Daten nicht her. Seinen ersten besseren Sieger in Deutschland ritt er 1958 im Paul Döring Rennnen, dem heutigen Dr. Busch-Memorial mit Pfalzteufel, trainiert und im Besitz von F. Landler. Und Pfalzteufel sollte auch mit dem Sieg im Henckel-Rennen sein erster klassischer Sieger werden.
Joan Pall war in der damaligen Zeit für sehr viele Trainer tätig. Ob er ein festes Engagement hatte, weiß ich nicht. 1962 gewann er mit Herero das Henckel-Rennen, im Derby saß Hein Bollow auf Herero und Pall ritt den Zoppenbroicher Kaiserstuhl, wurde mit kurzem Kopf geschlagen Zweiter. Im Großen Preis von Baden 1962 siegte er dann mit Kaiserstuhl vor dem Derby-Dritten Liebeschor aus dem Gestüt Röttgen. Nach heutiger Definition war das sein erster Sieg in einem Gruppe-1 Rennen.
1964 gewann er mit Zank, trainiert von Andreas Hecker in Frankfurt für Walter Vischer das Derby vor Kronzeuge und Wiesenklee. Es war sein erster ganz großer Treffer im Westen.
In den frühen Siebzigern ritt er viele gute Pferde für Hein Bollow, gewann zB 1970 mit Dulcia das Schwarzgold-Rennen und wurde mit der Stute zweiter im Preis der Diana. Aber ebenso ritt er häufig für Heinz Jentzsch und gewann mit Arratos 1973 den Großen Hansa-Preis.
Das Derby 1974 war wegen der in Deutschland stattfindenden Fußball-Weltmeisterschaft erstmals später im Juli gelaufen, nämlich am 21. Juli. Das war Glück für Marduk, Hein Bollow und Joan Pall. Denn Marduk hatte sich bei einem Start zuvor an der Maschine verletzt und die Derby-Fahrkarte erst im Otto-Schmidt-Rennen gelöst. Das Derby gewann er mit kurzem Kopf vor dem Röttgener Lord Udo mit Bill Carson im Sattel und Benedikt im Besitz von Stall Konstantin / Peter Boenisch. Damals war Peter Remmert noch Stalljockey bei Hein Bollow und er hat Marduk auch danach im Aral-Pokal geritten, aber warum er im Derby nicht drauf saß, kann ich nicht sagen. Als Reiter hat Hein Bollow vier Derby-Sieger geritten, als Trainer hatte er einen Derby-Sieger – Marduk mit Joan Pall im Sattel vor dem Weltklasse-Jockey Bill Carson.
Es folgte danach ein Engagement bei Heinz Jentzsch. Es war die Zeit, als ich mich mit dem Rennsport intensiver zu beschäftigen begann. Mein Vater mochte Joan Pall als Reiter sehr. Er ritt immer mit langen Zügeln und ließ die Pferde frei galoppieren.Und Pall war ein Taktiker. Es war die Zeit, als die Pferde von Heinz Jentzsch nicht immer von vorne gewannen, sondern oft vom letzten Platz das Feld aufrollten. Joan Pall konnte extrem gut warten, wie wohl kaum ein zweiter Jockey inDeutschland
Irgendwann in den späten 70ern endete der Stalljockey-Vertrag bei Heinz Jentzsch und der junge Ralf Suerland, der schon 1976 das Derby mit Stuyvesant gewonnen hatte, wurde sein Nachfolger. Joan Pall war wieder Freelancer.
Sein letzter Sieg bei Galopp-Sieger war im April 1981, als er den Jan Wellem-Preis, einem Altersgewichtsrennen mit 30.000 DM Dotierung gewann. Er wurde danach Trainer in Gelsenkirchen, wenn ich mich recht erinnere. Aber seine Trainer-Karriere war nicht annähernd so erfolgreich wie seine Jockey-Karriere. Bei Galopp-Sieger ist als einziger Sieg für Trainer Joan Pall der Sieg von Zend im „Grosser IJSBOERKE-Preis von Magdeburg“ vermerkt. Zend zeigte die ganze Internationalität des Galopp-Sports Ein Rumäne trainiert ein in Polen gezogenes Pferd für den österreichischen Springreiter Rüdiger Wassibauer. Im Sattel saß mit Lutz Pyritz ein Jockey aus den neuen Bundesländern.
Ein Jockey-Championat blieb ihm versagt. 1975 war er mit 87 Siegen Vizechampion hinter Peter Alafi mit 97 Siegern, 1976 wurde er mit 70 Siegen Vizechampion hinter Erwin Schindler mit 71 Siegen, 1977 mit 85 Siegen hinter Peter Alafi mit 96 Siegen, 1978 mit 88 Siegen hinter Georg Bocskai mit 110 Siegen. Vier Vizechampionate in vier Jahren, außer 1980 und 1981 war er immer unter den Top-Ten der Jockeystatistik. Insgesamt hat er 1396 Sieger geritten, davon zwei Derbysieger.
Es war sehr still geworden um den Ex-Jockey. Am vergangenen Donnerstag ist er als sehr einsamer Mann in einem Pflegeheim in Köln gestorben. Seine Frau ist schon vor einigen Jahren gestorben, Kinder hatte er keine.
Bernd Selle hatte ein paar alte Photos bei Facebook gepostet, die ich einfach mal anhänge (ich darf es).
Die Beerdigung ist am 2. August um 10:15 auf dem Friedhof in Gladbeck-Brauck.