14 Starts, 14 Siege, das ist die makellose Bilanz von Frankel. Vor dem letzten Start des Superstars gab es eine regelrechte Frankelmania in Britannien. Die königliche Kavallerie ritt zur Trainingseinheit im Frankeldress aus, Autos fuhren in Frankelfarben durch die Straßen. Die Engländer ließen den vierbeinigen Star hochleben.
Der Sieg in den Champion-Stakes war so spektakulär oder unspektakulär wie die 13 anderen davor. Die Jockeys der anderen Pferde ritten, was das Zeug hält und stritten um die Plätze und außen kam Tom Queally ganz gemütlich angefahren und ging an die Spitze des Feldes. Es waren diesmal nur knapp zwei Längen. War es der Startverlust oder der schwere Boden oder hatte Tom Queally Mitleid mit seinen Kollegen und ließ es ruhig angehen?
Es waren, sieht man vom Pacemaker ab, nur vier Pferde, die um die Platzgelder stritten. Cirrus des Aigles wurde Zweiter vor Nathaniel und dem Hofer-Schützling Pastorius. Rechnet man Danedream über Nathaniel, dann wäre sie nach Papierform rund vier Längen hinter Frankel eingekommen. Aber Papier ist geduldig, denn Zazou hat Cirrus des Aigles auch schon mit 2 Längen geschlagen. Pastorius bekam von Frankie Dettori in der Anfangsphase nicht das beste Rennen. Ob das am Ende 3 1/2 Längen waren, ist eher unwahrscheinlich, denn Frankie Dettori mußte am Ende mächtig zufassen.
Nach dem Rennen erklärte der gesundheitlich schwer angeschlagene Sir Henry Cecil mit kaum vernehmbarer Stimme, daß Frankel das beste Pferd sei, das er jemals trainiert und das er je habe laufen gesehen. Es war schon etwas makaber – der vor Kraft strotzende Frankel und daneben sein von Krankheit gezeichneter Trainer. Es muß eine sehr besondere Beziehung sein, die Pferd und Trainer verbindet. Es sind nicht wenige, die sagen, daß Frankel ein ganz wichtiger Aktivposten für Sir Henry im Kampf gegen den Krebs sei.
Am Ende der Karriere dieses Überpferdes stellt sich natürlich wieder die Frage nach dem besten Pferd der Welt – ever! Vor dem Rennen stellte die Racingpost die Frage, ob mit Frankel der Peak des Vollbluts erreicht sei und es jetzt nicht mehr besser werden könne. Frankel als Krönung des Vollbluts, als der letzte, nicht mehr steigerungsfähige Große dieser einmaligen Pferderasse? Gab es diese Frage nicht schon einmal und sie wird mit Sicherheit auch in Zukunft wieder gestellt werden.
Aber es gibt auch Kritiker, sie bemängeln, daß er nur in England gelaufen sei, nie wirklichen Reisestreß erlebt habe, keine Quarantäne etc., sonder immer ganz bequem vor der Haustür die Rennen gewonnen hat. Argumente, die man nicht von der Hand weisen kann. Aber wiegen sie so schwer?
Ungeschlagen in 14 Rennen ist eine Ansage, aber wer war dahinter? Andreas Weigt hat entweder eine gute Quelle gehabt oder die Zahlen selbst zusammen gestellt: In den Rennen, in denen Frankel gelaufen ist liefen 60 Sieger aus 243 Rennen. 22 davon waren Gruppe 1 Sieger in 49 Rennen. Total hat Frankel 40 Pferde geschlagen die zusammen 130 Gruppe Rennen gewonnen haben. Beeindruckend!
Ich habe diese Zahlen nicht geprüft und nehme sie einfach einmal als richtig an. Ist Frankel damit das beste Pferd aller Zeiten und Länder? Wer sind die Konkurrenten um diesen Titel?
Und wer darf in diesem Titelkampf überhaupt antreten – nur Ungeschlagene oder auch Pferde mit großer Karriere, die auch mal gepatzt haben?
Ich werfe einfach mal die Namen in den Ring, die mir in den Sinn kommen, wenn es um die ganz Großen in der Geschichte des Vollbluts geht.
Es ist nicht lange her, da verzauberte Sea the Stars die Vollblutwelt ähnlich wie Frankel heute. Sea the Stars hat bis auf das Debut alle Rennen gewonnen, Imponierend waren vor allem seine Siege in den Juddmonte International Stakes von York und im Arc. In York war er nur eine Länge vor Mastercraftsman, aber 32 Längen vor dem Dritten, im Arc saß er lange fest und gewann trotzdem souverän.
Black Caviar ist ungeschlagen in 22 Rennen. Die eher unscheinbar wirkende Stute gewinnt vielleicht nicht so überlegen, aber auch fast immer mit beeindruckender Leichtigkeit. Ein “Matchrace” zwischen Frankel und Black Caviar scheiterte an den unterschiedlichen Distanzen, auf den die beiden Stars zu Hause sind – und wohl auch an der Tatsache, daß danach einer von Beiden nicht mehr ungeschlagen gewesen wäre.
Die amerikanische Wunderstute Zenyatta verlor ihren letzten Start im Breeders’ Cup Classic gegen Blame, nachdem sie rund 20 Längen Startverlust hatte mit einem Kopf! Die Aufholjagd der Stute in dem Rennen war faszinierend, eigentlich gut genug für 5 normale Siege. Aber leider hat sie die weiße Weste verloren. Trotzdem gehört sie zu dne Besten der Welt.
Wen soll man sonst noch erwähnen? Den Amerikaner Curlin, diesen wuchtigen Fuchs mit einer faszinierenden Galoppade und der erste Amerikaner mit einer Gewinnsumme von 10 Mio Dollar? Secretariat, den letzten Sieger der amerikanischen Triple-Crown. Unvergessen sein Sieg in den Belmont-Stakes, als er vor dem Feld Start-Ziel mit riesigem Vorsprung gewann.
Nijinsky ist der letzte Gewinner der englischen Dreifachen Krone, das letzte Universalpferd. Als frühes Pferd gewann er die 2000 Guineas, als das glücklichste Pferd das Derby und als das beste Pferd das St. Leger. In dieser klassischen Definition war Nijinsky der letzte ganz Große. Heute hat das Leger keinen großen Stellenwert mehr, ist für eine später Zuchtkarriere eher hinderlich. Aber damals war Stamina das Maß aller Dinge.
Nach Nijinsky hätten zwei Pferde eine reelle Chance auf die Triple-Crown gehabt. Sea the Stars hat man im Leger nicht aufgeboten, weil man glaubte, daß der Weg zu weit sei. Camelot muß als der moralische Sieger des St. Legers 2012 gelten, sein junger Reiter fühlte sich zu sicher und “verknallte” den Ritt. Sie hätten, haben aber nicht, Nijinsky hat!
13 Starts, 11 Siege und zwei zweite Plätze 2j bis 3j.sind sein Rekord. Im Arc brach er brüsk weg, daß Lester Piggott fast aus dem Sattel gekommen wäre und war mit einem Kopf geschlagen. Die Niederlage gegen Lorenzaccio in den Champion Stakes von Newmarket war auch der langen Saison und der kurzen Startfolge im Herbst – St. Leger, Arc und Champion Stakes – geschuldet. Er lief ein Rennen und ein Jahr weniger als Frankel und gewann in drei Ländern.
Sea Bird gehört auch zu den Ausnahmepferden, die leider nicht ungeschlagen sind. Er führte lange Zeit das Timeform-Rating der ewigen Besten an. Es waren nicht allein die gewonnenen Rennen, vielmehr die Art, wie er sie gewann, die ihn zum Ausnahmepferd machten. Im Arc 1965 fertigte er Reliance und Diatome mit 6 und 5 Längen ab.
Eine andere einmalige Erscheinung war der Italiener Ribot, oft als Tesios Meisterwerk bezeichnet. Leider hat der Großmeister der Vollblutzucht nur seine ersten Schritte auf der Rennbahn erlebt. Danach zeichnete U. Penco für das Training verantwortlich. Ribot ist bei 16 Starts ungeschlagen. Noch heute ist er der einzige Doppelsieger im Arc, der auch die King George in Ascot gewonnen hat.
Auch bei Ribot waren es nicht allein die Siege, sondern auch die Art, wie er die Rennen gewann. Er lief vierjährig sowohl über 1800m als auch über 3000m. Er gewann Rennen in drei Ländern und bei einer Wahl zum Sportler des Jahrhunderts belegte Ribot eine der vorderen Plätze – vor bekannten Persönlichkeiten aus Fußball und anderen Sportarten.
Der nächste Große ist wieder ein Italiener, wieder von Tesio und vom Meister selbst trainiert. Nearco gewann alle seine 14 Rennen und liegt damit mit Frankel gleichauf. Allerdings absolvierte er diese 14 Starts in eineinhalb Rennzeiten. Nach seinem Sieg im Grand Prix de Paris im Juni als Dreijähriger wurde er verkauft und lief keine Rennen mehr.
Bemerkenswert ist sein Sieg im Gran Premio die Milano und der folgenden Sieg im Grand Prix de Paris. Aus einer Beschreibung von Tesio geht nicht genau hervor, ob zwischen den beiden Rennen eine Woche oder zwei Wochen Abstand waren. Es klingt allerdings eher nach einer Woche. Bedenkt man den heute sehr dosierten Einsatz der Klassepferde, dann war es auf jeden Fall eine sehr kurze Pause.
Die Zugfahrt von Mailand nach Paris dauerte 36 Stunden. Das mag lange erscheinen, aber damals fuhr man mit einem Pferd von Düsseldorf nach Frankfurt oder Hannover auch fast einen Tag mit dem Zug und dann paßt die Relation.
Zwei Rennen über 3000m, eine oder zwei Wochen Pause und eine Reise über 36 Stunden in einem holpernden Güterwaggon konnten Nearco nicht am Siegen hindern. Ebensowenig wie Canot als Zweiter des französischen Derbys und Bois Roussel als Sieger des Epsom-Derbys.
Nach dem Rennen wurde Nearco für 60.000 Pfund Sterling verkauft. Er war damit bis dato das teuerste, jemals verkaufte Pferd. Die Summe entsprach in etwa dem Wert einer Jahresproduktion des legendären Mercedes 500K. Es war verdammt viel Geld!
Bei der Frage nach dem besten Pferd aller Zeiten darf die Wunderstute Kincsem natürlich nicht fehlen. Ihr Rekord mit 54 Siegen bei ebensovielen Starts steht bis heute. Natürlich kann man das Rennsystem damals nicht mit dem heutigen vergleichen, es war anders und auch härter. Eigentlich hat die Stute 55 Rennen gewonnen, denn den dritten Sieg im Großen Preis von Baden errang sie erst nach einem Entscheidungsrennen, weil sie im eigentlichen Rennen mit Prince Giles the First im toten Rennen eingekommen war.
Harald Siemen hat in “Die Vollblutzucht der Welt” die Rennen der Stute mit Datum und Dotierung aufgelistet, so daß man auch die Startfolge kennt.
Man stelle sich vor, Frankel wäre während Royal Ascot Dienstag, Donnerstag und Samstag gelaufen. Man hätte am Verstand von Sir Henry Cecil gezweifelt, die Tierschützer wären auf den Plan gekommen, Fachleute hätten festgestellt, daß das Pferd jetzt ewigen Schaden genommen habe, etc.. Für Kincsem war das normal. Dazu ein kleines Beispiel: Dreijährig lief sie im Mai am 21. in den Trial Stakes über 2400m und deklassierte die Konkurrenz, am 24. In den klassischen 2000 Guineas von Österreich über 1600m, am 27. im Kaiserpreis erster Klasse über 3200m. Dann gab es einen Monat Pause, um dann am 24. Juni in Hannover im Großen Preis über 3000m im Canter mit 6 Längen zu gewinnen. Nicht vergessen, die Stute war dreijährig!
Kincsem gewann Rennen in KuK Österreich, in Deutschland ist sie eine von zwei dreifachen Siegern im Großen Preis von Baden, in Frankreich gewann sie den Grand Prix de Deauville und in England den Goodwood Cup. Goodwood am 1. August, Deauville am 18. August und dann wieder Baden Baden am 3. September, damals über 3200m.
Wer in Doberan einmal Molly gefahren ist, der hat eine ungefähre Vorstellungen von den Reisebedingungen der damaligen Zeit. Es war rumpelig, die Luft roch nach Qualm und Kohle und am Ende war man selten gerührt, aber meistens geschüttelt. Und dann sollte man schnell laufen!
Und wen soll man aus den Genannten und nicht Genannten als das beste Pferd der Welt küren? Natürlich laufen die Pferde heute schneller, die Bahnen sind besser, das Training ist besser, die medizinische Betreuung ist besser und natürlich auch das Futter. Man reist in luxuriösen Transportern und die Starts werden wohl dosiert gewählt.
Früher mußten Pferde vor allem laufen, die Startfolgen waren viel kürzer als das heute der Fall ist. Die Reisebedingungen würden heute die Tierschützer auf den Plan rufen (Nearcos Ausflug nach Paris verstieß ganz klar gegen die Tierschutztransportverordnung).
Vergleicht man die Erfolge damals und heute, dann kompensieren die Pferde vergangener Tag die optisch vielleicht schwächeren Rennleistungen durch die härteren Lebensbedingungen, in denen sie die Leistungen gezeigt haben. Ob das moderne Rennpferd unter den Bedingungen in der Lage gewesen wäre, Topleistungen zu zeigen, möchte ich mit einem dicken Fragezeichen versehen.
Die Frage nach dem Besten aller Zeiten und Länder möge jeder für sich beantworten.