3000 britische Sieger für Frankie Dettori

Es war ein ganz normaler “Brot und Butter-Renntag” in Newmarket, an dem am Freitag Abend Rennsport-Geschichte geschrieben wurde.  Mit Predilection ritt Frankie Dettori im letzten Rennen des Tages den magischen Sieger für seinen Trainer John Gosden.  Zuvor hatte er im dritten Rennen des Tages mit  Ghayyar Sieger Nummer 2999 gesteuert. Er ist damit der achte Reiter in der Geschichte des britischen Turfs und der sechste Reiter auf der Flachen, der 3.000 Sieger geritten hat. Die im Ausland erzielten Sieger sind dabei nicht berücksichtigt.

Sein Vater Gianfranco Dettori war einer der besten Reiter Italiens zu seiner Zeit und sein Sohn Lanfranco (Frankie) ging früh nach England und wurde bald einer der Spitzenjockeys im Mutterland des Turfs. Mit seinen Erfolgen in großen Rennen kann man ein dickes Buch füllen, deswegen nur ein kurzer Abriß.

Im Alter von 13 Jahren hat er die Schule in Italien verlassen und ging 1985 nach England um bei Luca Cumani, einem Landsmann eine Jockey-Lehre zu beginnen.
Seinen ersten Sieger ritt er im November 1986 in Turin, den ersten Sieger in England im Juni 1987, sein erster Gruppe-Sieger war ebenfalls 1987 mit Legal Case in den Select Stzakes in Goodwood für seinen Lehrherrn und Mentor, Luca Cumani.  Gruppe-Sieg Nummer zwei  sollte zwei Wochen später. 1990 war der erste Erfolg in Gruppe 1 fällig – und gleich im Doppelpack am 29. September in Ascot in der Fillies’ Mile und in den ‘Queen Elizabeth II Stakes.Zwei Gruppe-1 Siege an einem Tag!. Später im Jahr sollte in seiner Heimat im Premio Roma der dritte Gruppe-1-Erfolg in einem Jahr.  Ebenfalls 1990 war er der ersten Teenager, der seit Lester Piggott in England in einer Saison über 100 Sieger geritten hat. Am 28. September 1996 ritt er in Ascot sieben Sieger in sieben Rennen.

1991 waren die ersten Klassiker fällig: Deutsches Derby es siegte Temporal aus dem Stall Rosita mit einem damals in Deutschland unbekannten Lanfranco Dettori im Sattel – und er hat Peter Schiergen mit Lomitas aus dem Gestüt Fährhof gewaltig die Suppe versalzen. Ein Finish bis auf die Linie und Lomitas kam einfach nicht mehr ran und der Europarekordler Peter Schiergen mußte seine hocherfolgreiche Jockey-Karriere ohne einen Sieger im Derby geritten zu haben beenden – Dettori wars schuld.

In den 90ern wurde er Stalljockey von Godolphin am Stall von Saeed bin Suroor und man kann dies wohl als die große Epoche von Stall, Trainer und Jockey bezeichnen. Die Verbindung wurde 2012 gelöst. Die Chemie im Stall paßte offensichtlich nicht mehr und dann ritt er noch in großen Rennen für den “Erzfeind” der Königsblauen, für das Coolmore-Imperium der Preußisch-Blauen und da war das Ende absehbar.

2007 gewann er nach 15 Versuchen mit Authorized endlich das englische Derby. Allerdings nicht für das königsblaue Quartier sondern für Saleh Al Homaizi & Imad Al Sagar und Trainer Peter Chapple-Hyam. Aber egal, endlich einen Epsom-Derby-Sieger.
2012 war das schwarze Jahr seiner Karriere. Außer der Beendigung seiner Zusammenarbeit mit Godolphin. Im November 2012 wurde er in Frankreich positiv auf unerlaubte Substanzen getestet und wurde im Dezember für 6 Monate gesperrt. Es schien das Ende einer großen Karriere zu kommen.

Dettori agierte danach eine Zeitlang als Freelancer,  bis er Jockey bei John Gosden und dort vor allem für die Pferde der Al Thani-Familie wurde.  Dettori agiert seitdem erfolgreich wie in besten Zeiten. Die Verbindung dauert bis heute an.
Frankie Dettori hat rund 560 Gruppe-Sieger geritten, darunter mehr als 200 Gruppe 1 Sieger.  Davon 327 Gruppe-Sieger und 81 Grupp-1-Sieger in England. Bei 240 Gruppe-Siegern außerhalb Englands kann man wohl 1000 Sieger außerhalb Englands hinzu rechnen.

36 klassische Sieger zieren seinen Rekord, davon allein 9 Derbys in verschiedenen Ländern.  England sind es 16 Klassiker und zwei Derbys, zuletzt 2015 mit Golden Horn.
Frankie Dettori ist nicht nur ein begnadeter Jockey, sondern auch der Sunny-Boy des Rennsports. Er ist eigentlich fast immer für jeden Spaß zu haben. Auf dem Weg zum Führring ein Selfie mit Frankie – kein Problem, wo andere Jockeys gerne mal abblocken, macht er mit, wenn nicht gerade die Zeit drängt.

2000 wurde er von der Königin mit dem MBE (Order of the British Empire) ausgezeichnet.

2007 wurde er das Gesicht des Jockey-Joghurts, der fast überall in Europa (außer in Deutschland) und besonders erfolgreich in Frankreich vertrieben wurde

Dem sympathischen Italo-Engländer noch viel erfolgreiche Jahre im Sattel – auch wenn er die  Rekord von Sir Gordon Richards und Lester Piggott wohl nie erreichen wird.

Klassische Sieger

Gruppe-Sieger (mehrere Seiten)

Erster Derby-Sieg 1981 mit Temporal

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In Frankreich geht eine Epoche zu Ende

Wie heute in Paris Turf zu lesen war, wird der Rennstall der Gebrüder Wildenstein zwar nicht aufgelöst, aber deutlich reduziert. 110 Pferde Pferde kommen zum Verkauf. Es wird nicht mehr der Rennstall sein, der über Jahrzehnte den Rennsport nicht nur in Frankreich prägte.

http://www.paris-turf.com/actualites/dispersion-des-wildenstein-stables-ltd-135566

Der Rennstall Wildenstein steht jetzt in der dritten Generation – und die Liste der großen und größten Erfolge wird in Kürze ausführlicher dargestellt.

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Diana-Tag in Düsseldorf und die Geldpreise in Deutschland

(c) Galopp-online.de

Am Sonntag wurde mit der Diana das zweitwertvollste Rennen des deutschen Turfs in Düsseldorf gelaufen. Mit 500.000 EUR ist die Diana (German Oaks) nach dem Prix de Diane und den Epsom Oaks die drittwertvollste Prüfung dieser Art in Europa.

Eigentlich eine tolle Sache, aber leider bezieht sich die durchaus ansehnliche Dotierung nur auf das Hauptrennen. Die Dotierung der Basisrennen konnte sich noch sehen lassen, aber der Mittelbau war dann nur noch Standard.  Für das Listenrennen gab es die üblichen 25.000 EUR und der Ausgleich I war mit 22.500 ebenfalls mit der Standard-Dotierung ausgestattet.

Das seit Jahren andauernde Engagement von Henkel ist wohl eines der Besten, das es in Turfdeutschland gibt. Wenn aber so viel Geld für das Hauptrennen da ist, dann sollte es doch möglich sein, die guten Rennen des Rahmenprogramms besser auszustatten. 10.000 Euro zusätzlich für das Listenrennen und 5.000 Euro zusätzlich für den Ausgleich I. Dann wäre das Rahmenprogramm einigermaßen angemessen zum Hauptereignis.

Davon ab, der Renntag war klasse. Andreas Wöhler sattelte mit Serienholde aus dem Gestüt Wittekindshof die dritte Diana-Siegerin in Folge. Aus der Maschine raus gab es flottes Tempo und Frankie Dettori, er den Grafenberg bestens kennt, war im Zielbogen mit der Favoritin Architecture einigermaßen in Nöten um die Stute bei der schnellen Fahrt gut durch den Bogen zu bringen.

Bei erreichen der Zielgeraden kam Architecture nicht weiter und eigentlich war die heße Favoritin, immerhin Zweite in den Epsom Oaks und dem irischen Pendant nie wirklich im Rennen. In der Geraden war die Fährhoferin Sarandia als erstes zur Stelle und das sah auch gut aus, bis außen Serienholde von Eddi Pedroza immer besser ins Rennens g4ebracht wurde. Die Wittekindshoferin hatte recht früh alles im Griff und gewann das Rennen sehr sicher, auch wenn die Abstände nicht gerade groß waren.

Es war ein voller Erfolg für die deutsche Vollblutzucht. Auch wenn Architecture vielleicht nicht  den besten Tag hatte, so ist ihre Reputation unbestritten. Zweiter zu Minding, der zweifelsohne besten Stute des Jahrgangs 2013 ist mal ein Wort.

Serienholde und Sarandia repräsentieren Beide die Schlenderhaner Schwarzgoldlinie und bei Beiden ist steht Salesiana als dritte Mutter im Pedigree. Mit Soldier Hollow hat die Siegerin noch einen in Deutschland aufgestellten Vater. Für Soldier Hollow war es der dritte Gruppe-1 Sieger und der zweite Erfolg nach Pastorius in einem Klassiker.
Das Listenrennen gewann mit Fair Mountain aus dem Stall Margarete ein weiterer Wöhler-Schützling. Der hoch eingeschätze Yorkidding, extra aus England angereist und zum toto-Favoriten erklärt, war als Sechster schon recht deutlich geschlagen.  Der Ausgleich I wurde duch Wonnemond aus dem Stall von Sascha Smrczek gewonnen und blieb damit auf dem Grafenberg.

Nach der Pleite von München, wo mit Elliptique ein französisches Gruppe-3 Pferd “mal eben” Gruppe 1 in Deutschland gewinnt, war das Wochenende in Düsseldorf doch um einiges versöhnlicher. Die Stuten des Jahrgangs 2013 scheinen recht gut gelungen. Ob das auch für die Hengste gilt, werden die nächsten Rennen und natürlich das Badener Meeting zeigen.

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Das Derby und der G20-Gipfel in Hamburg.


Das Derby 2017 wirft die ersten Schatten voraus – organisatorisch zumindest. Es gibt mal wieder Terminprobleme. 2017 findet in Hamburg der G20 Gipfel statt, das wohl größte politische Ereignis, das je in Hamburg stattgefunden hat. Sieht man einmal von den regelmäßigen Besuchen Seiner Majestät des  Kaisers zur Hamburger Derbywoche ab.

In der Vergangenheit wurde das Derby 72 mal im Juni und 73 mal im Juli gelaufen. Einmal im  August und September, 1946 und 1947.

Der Gipfel findet am 7. und 8. Juli, also nach dem regulären Derbytermin der letzten Jahren, dem  ersten Sonntag im Juli, statt. Die Entourage der Mächtigen wird vor dem Termin anreisen.  Es wäre doch genial, den Derbytag und den Samstag als gesellschaftlichen Programmpunkt in den G20-Gipfel einzubauen. Dann bekommt man endlich mal wieder echte Prominenz auf die Bahn und kann auch mal auf die Problem des Sports aufmerksam machen, die wir auch durch die Politik haben.

Statt die Chance beim Schopf zu packen, wird ausgewichen. Das Derby wird mal wieder nach hinten verlegt (warum eigentlich nicht mal nach Vorne und auf den letzten Sonntag im Juni??)  Nicht nur, daß ich die Verlegung für politisch sehr unglücklich halte, sie ist auch züchterisch sehr bedenklich. Das deutsche Derby ist das mit dem spätesten Termin der großen Rennsportländer. Und wenn wir es immer weiter nach hinten legen, bekommen wird ein anderes Pferd. Dann ist Frühreife kein Kriterium mehr, dann gewinnt auch ein “spätes” Pferd das Derby und die deutsche Zucht verliert international an Reputation.

Ich habe sehr großen Respekt vor dem HRC, wie man das Meeting trotz vieler Widrigkeiten immer wieder bestens stemmt und auch in den “Basis-Rennen” mit die besten Rennpreise der Republik zahlt. Aber das Termin-Management mit einem immer weiter nach hinten rückenden Derby ist – diplomatisch ausgedrückt – nicht gelungen.

Und 2018 ist dann wieder Fußball-WM und dann muß wieder ausgewichen werden. Und natürlich nach hinten, statt mal nach vorne auszuweichen! Demnächst kommen dann Abstimmungsprobleme mit den Skandinaviern, bei denen das Derby traditionell im August gelaufen wird.  Aber dann ist Deutschland keine große Rennsportnation mehr.

Nachtrag: Nach einem  Telefongespräch mit einem Vorstand des Hamburger Rennclubs war ich doch ein wenig überrascht, wie sehr der G20-Gipfel sich im Vorfeld schon auf das Preisniveau der Stadt auswirkt.

Nicht nur, daß sich die Übernachtungspreise verdoppeln –  für Veranstaltungen stehen viele Räume nicht mehr zur Verfügung, weil sie schon anderweitig verplant sind.  Das wäre dann eine sehr teure Derbywoche für die auswärtigen Besucher – und das muß nicht sein!

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Der Peitschengebrauch im Galoppsport und der Tierschutz

Das Gesicht des Derbysiegers 2016. Sieht so ein Pferd aus, das gerade von seinem Jockey gepeitscht wurde und vor lauter Angst und Panik das Rennen gewonnen hat? (C) Andreas Wöhler

Nach dem Derby ist die Frage des Peitscheneinsatzes das beherrschende Thema in Turfdeutschland. In den sozialen Medien wurden teilweise Äußerungen auch von Insidern gemacht, die jeder Beschreibung spotten. Es wird von prügelnden Jockeys gesprochen und von gepeitschten Pferden. Für einen Peitscheneinsatz – daran sei erinnert, der z. B. in Irland in einem solchen Finish als vollkommen normal angesehen würde und über den man vor rund 10 Jahren in Deutschland auch nicht wirklich diskutiert hätte. Ich war teilweise erschrocken, was dort geschrieben wurde.

Es wird immer wieder der Tierschutz angeführt, um deretwillen der Peitscheinsatz auf ein Minimum beschränkt werden soll oder nach anderer Meinung ganz verboten werden soll.

Nachfolgend einige Gedanken zum Tierschutz und Peitschengebrauch im Rennen.

Es ist vor allem einmal grundsätzlich zu unterscheiden, ob ich ein Pferd mit der Peitsche im Stall schlage oder ob ich die Peitsche “im Eifer des Gefechts” im Rennen gebrauche.  Das Schlagen eines Pferde mit der Peitsche im Stall ist – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – abzulehnen und kontraproduktiv. Ein Pferd, das im Stall mit der Peitsche geschlagen wird, begegnet dem Menschen mit Mißtrauen. Wird mehrfach oder fortlaufend geschlagen, wird es bösartig.

Der Peitschengebrauch im Rennen unterscheidet sich davon grundsätzlich.
Ich habe schon viele Diskussionen darüber geführt und habe den Einsatz der Peitsche im Rennen wie folgt erklärt. Das Verhältnis von Chef und Mitarbeitern ist nicht immer friedlich. Der Chef will mehr Ergebnis sehen und der Mitarbeiter fühlt sein Soll als erfüllt an. Es wird heftig diskutiert, der Chef mach dem Mitarbeiter sehr deutlich, daß er mehr leisten muß.
Oftmals stellen die Gesprächspartner in einer solchen Runde dann fest, daß der Chef den Mitarbeiter verbal in den Hintern getreten hat und betrachten den Peitschengebrauch im Rennen dazu analog – und so kann man es sehr treffend sagen.  In fast allen Fällen war die Quintessenz, daß die Diskussionspartner den Peitschengebrauch im Rennen als normal und korrekt betrachten. Wenige waren unentschlossen und ein verschwindender Teil blieb bei der Auffassung, daß es falsch sei, ein Pferd mit einer Peitsche zu schlagen. Eine eigentlich einfach Erklärung mit großer Wirkung im Sinne des Sports.

Ein anderes kurzes Beispiel. Stehen sich zwei Boxer im Ring gegenüber, spüren sie die Härte eines Schlages nicht annähernd, wie sie ihn spüren würden, wenn sie kalt erwischt einen Schlag mit der Faust ins Gesicht bekämen. Das liegt nicht nur an den Boxhandschuhen sondern vor allem daran, daß Physis und Psyche in Wettkampfstimmung sind!

Und genauso ist der Gebrauch der Peitsche im Rennen zu sehen. Auch das Pferd ist emotional aufgeladen und in Wettkampfstimmung. Pferd und Reiter sind mit Adrenalin vollgepumpt und das Schmerzempfinden ist auch dadurch erheblich reduziert. Der Reiter will, daß das Pferd schneller läuft und fordert es dazu mit der Peitsche auf. Ist das Pferd leistungsfähig, wird es entsprechend reagieren und beschleunigen.  Jedenfalls wird es die Peitsche nicht als Schmerz oder als Strafe empfinden.

Würde das Pferd in dem Fall die Peitsche als Strafe empfinden, würde es danach ängstlich reagieren.  Es wäre beim nächsten Rennen im Führring aufgekratzt, würde wahrscheinlich nur mit Widerstand auf die Bahn gehen etc.. Daß dies nicht der Fall ist, kann man – von Ausnahmen abgesehen –  jeden Renntag erleben.

Das Gesicht eines Pferdes, das gerade in panischer Angst ein Rennen gewonnen hat? (c) Gabi Suhr

Das Pferd schwitzt im Rennen und wenn der Jockey abgesessen ist, schubbelt sich das Pferd im allgemeinen den Kopf am Jockey. Paßt das zu der Aussage der sogenannten Tierschützer, daß die Pferde durch die Peitsche in Panik versetzt werden? Würde das Pferd dann unmittelbar nach dem Rennen sich seinem Peiniger zuwenden und den Kopf schubbeln?

Beobachtet man die Pferde im Führring vor dem Rennen, sind diese, mit wenigen Ausnahmen  die Ruhe in Person und Pferde wissen sehr genau, wenn Renntag ist. Würden sie so ruhig im Führring und an der Startmaschine gehen, wenn sie das Rennen und den Gebrauch der Peitsche als Strafe, als Quälerei empfinden würden? Natürlich gibt es nervöse Pferde – es sind Hochleistungsathleten  und auch bei den Menschen gibt es nervöse Sportler. Aber in der Regel sind die Pferde ruhig und gelassen. Von Panik oder Aufregung keine Spur. Und nach dem Rennen – ist die Mimik des Pferdes die einer gequälten Kreatur? Sieht der Derbysieger auf dem Siegerphoto gequält aus?

Das sind Fakten, die PETA und abgeschwächt auch andere professionelle Tierschützer nicht zur Kenntnis nehmen oder nehmen wollen, weil sie nicht in deren Weltbild passen.

Die Tierschützer argumentieren, daß ein Schlag mit der Peitsche Schmerzen verursacht. Es wird der Eindruck vermittelt, daß Schmerz eine feststehende und nicht skalierbare Größe ist. 0=kein Schmerz 1=Schmerz. Das ist falsch, im allgemeinen Sprachgebrauch unterscheidet wir sehr deutlich unterschiedlich starke Schmerzen. Von “aua” über “das tut weh” zu den Schmerzen oder starken Schmerzen – nach oben ist die Skala sicherlich offen.

Das Direktorium für Vollblut und Rennen als Aufsichtsbehörde hat genaue Vorschriften für die Beschaffenheit der Peitsche erlassen, die im Rennen verwendet werden darf. In Ziffer 480 RO ist unter d) die zulässige Peitsche beschrieben: Es ist nur eine ummantelte (shock  absorbing) Peitsche mit einer Länge, einschließlich Klappe,  von 75 cm zulässig, die an keiner Stelle schmaler als 8 mm sein darf. Die Peitschenstärke und -länge wird vom Abwieger anhand des Peitschenmeßgeräts geprüft.

Ich sage mal etwas provokant: Ein Jockeypeitsche ist heute so “weich”, daß eine Domina sie als Arbeitswerkzeug nicht akzeptieren würde. Mit Kinderspielzeug gibt man sich dort nicht ab.

Die ummantelte “weiche” Peitsche verursacht beim Schlagen einen lauten Knall – ist aber von der Wirkung viel geringer, als die Peitschen, die vor einigen Jahren verwendet wurden.

Die Iren haben deswegen auch die Regel, daß der Peitschengebrauch in Ordnung ist, wenn das Pferd unter der Peitsche anzieht – also die Aufforderung richtig versteht und entsprechend reagiert. Daß die Schlagfolge nicht zu schnell sein darf, sagt schon der gesunde Menschenverstand. Und ich finde diese irische Regelung eine sehr gute Regelung – man kann ja eine Obergrenze setzen. Wie sagte neulich ein Insider: “Wenn es im Finish eng ist und ein Pferd kämpft, dann schaden auch 7,8 oder auch 9 Schläge mit der Peitsche nicht. Beim geschlagenen Pferd, können zwei zu viel sein.

Wenn man Für und Wider gegeneinander abwägt, dann ist die Peitsche ein probates Mittel, um das Pferd zur Mobilisierung der letzten Reserven im Endkampf zu animieren. Das Pferd spürt die Peitsche natürlich, sonst würde es nicht darauf reagieren, aber ich betrachte es als falsch und vollkommen überzogen, beim Peitscheneinsatz von einem Schmerz zu sprechen, der erzeugt wird.

Als Quintessenz bleibt für mich die Feststellung, daß die angemessen eingesetzte Peitsche dem Pferd nicht schadet – egal ob es 5 oder 10 Schläge sind.  Wo man eine Obergrenze ziehen kann, weiß ich nicht und verweise auf die irische Regel. Die Peitsche ist natürlich auch nicht das Zaubermittel, um ein Rennen zu gewinnen. Da spielen viel mehr Komponenten eine Rolle und ein echter Klassereiter ohne Peitsche ist einem schlechten Reiter mit Peitsche trotzdem überlegen. Aber der Jockey muß die Möglichkeit haben, ein Pferd im Rennen wirklich schnell zu machen.

Es ist für mich vor allem eine Frage des allgemeinen Eindrucks und der Kommunikation. Der Besucher und Laie muß informiert werden – und wenn der Rennsport nicht informiert, macht es PETA. Wollen wir PETA-Desinformation oder wollen wir den Besucher im Sinne des Rennsports und der Pferde und Aktiven informieren?

Pferderennen sind Leistungsprüfungen im Sinne des Tierzuchtgesetzes, die in der Öffentlichkeit in einem gewissen Ambiente durchgeführt werden. Vor allem das Ambiente mag bei Gelegenheitsbesucher ein wenig den Eindruck erwecken, daß es ein gesellschaftliches Ereignis oder ein Jahrmarkt mit Pferderennen ist. Das ist falsch und das muß vom Sport auch entsprechen kommuniziert werden. Rennen und Leistungsprüfung sind der Sinn und Zweck der Veranstaltung, alles andere ist Beiwerk und nicht umgekehrt!

Rennpferde sind für mich mit die bestversorgten Pferde überhaupt. Perfekte Pflege und Fütterung, erstklassige medizinische Betreuung, Physiotherapie etc.. Wenn man manche Tierarztrechnung sieht, dann würde bei der Erstattung, wenn es die Rechnung für einen Kassenpatienten wäre,  eine Ersatzkasse wahrscheinlich meutern.

Als “Gegenleistung” wird dafür vom Pferd erwartet, daß es vier bis zehnmal im Jahr schnell läuft. Im Schnitt sind die in Deutschland trainierten Pferde 2016 6,17 mal im Inland oder Ausland gestartet. Von einer Überforderung kann also keine Rede sein.  Mit den Renngewinnen verdient das Pferd einen Teil seines Lebensunterhalts. So wie die Menschen auch arbeiten müssen, um das tägliche Brot zu verdienen. Der Mensch sorgt für das Pferd und das Pferd bereitet durch Erfolge seinem Besitzer und seinem Umfeld vor allem Freude – eine eigentlich perfekte Sozialpartnerschaft. Tiere sollen nicht arbeiten und nicht zum Vergnügen des Menschen dienen, denn sie haben keine Wahl, ob sie wirklich schnell Rennen wollen, sagen die sogenannten Tierschützer.  Das mag richtig sein, aber fragen Sie die Toilettenfrau oder den Hilfsarbeiter, ob er eine Wahl hat und ob ihm der Job Freude bereitet.

Schließlich müssen wir uns auch noch einmal deutlich vor Augen halten, daß der Rennsport die besten Pferde für die Zucht ermitteln soll. Der Rennsport basiert auf drei klassischen Säulen. Frühreife, Härte und Ausdauer. Härte bedeutet Gesundheit und auch Streßresistenz. Und für ein Klassepferd bedeutet das, daß es nach einem harten und mehr als spannenden Finish, wie wir es im Derby gerade erleben durften, im nächsten Rennen wieder genauso anpackt und mit seinem Organismus und auch mit seinem Kopf gewinnt. Das Klassepferd muß bei der Gemengelage zeigen, daß er da drüber steht und so etwas “kann”.

Bei den Pferden gibt es sehr unterschiedliche Typen. Manche reagieren sehr sensibel und strengen sich bei einem kurzen Klaps mit der Peitsche maximal an. Andere brauchen erst mal zwei Schläge als Wachmacher, daß sie wissen, daß sie sich jetzt anstrengen müssen. Wer für eine weitere Verschärfung der Peitschenregel plädiert, würde diese phlegmatischen und wegen des Phlegmas sehr oft guten Pferde zur Erfolglosigkeit verdammen und damit quasi vom Rennbetrieb ausschließen. Will man das wirklich?
Es ist jetzt Sache des Direktoriums, den Peitschengebrauch ungeschönt zu beschreiben und auf der Webseite an prominenter Stelle zu veröffentlichen. Im Rennprogramm werden seitenlang die Wettarten erklärt – aber ein Hinweis über Gebrauch, Beschaffenheit und Sinn des Peitscheneinsatzes findet sich nirgendwo. Ein schwere Unterlassungssünde, wie ich meine.

Der Rennsport muß den offenen Disput mit den Tierschützern suchen und die eigene Position energisch vertreten. Es darf nicht so sein, daß die Tierschützer Forderungen stellen und der Rennsport klein beigibt und sich vorführen läßt wie ein Tanzbär in der Manege. Der Peitschengebrauch im Sport ist auch nicht ansatzweise ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, wie ich hoffentlich deutlich ausgeführt habe.

Schafft der Rensport es nicht,  die eigene Position zu vertreten und wieder einen normalen Gebrauch der Peitsche zu ermöglichen und dabei das Strafmaß im Fall des Mißbrauchs auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, wird auch im internationalen Vergleich der Galoppsport in Deutschland weiter an Bedeutung verlieren – und das haben dann die Funktionäre des DVR zu verantworten.

Es sind dann die Funktionäre, die die Bedeutungslosigkeit des Sports zu verantworten haben, nicht die Züchter und Besitzer und schon gar nicht die Jockeys, die die Suppe jeden Tag auslöffeln müssen.

Der Peitschengebrauch kann nicht isoliert gesehen werden – man muß ihn eben auch im Gesamtaspekt des Rennsports sehen – und deswegen bin ich teilweise auch vom Thema etwas abgekommen.

Es gibt viele Aufgaben im Tierschutz, die dringend erledigt werden müssen und Zustände im Umgang mit Tieren, die teilweise zum Himmel schreien. Der Gebrauch der Peitsche im Rennsport ist da geradezu eine Petitesse – die extrem aufgeladen und emotional von den Tierschützern betrachtet wird.  Was hinter verschlossenen Türen von teilweise staatlich kontrollierten Einrichtungen geschieht, ist ja nicht so öffentlichkeitswirksam.

Auch wenn ich mich wiederhole: Und alle Kritiker, die den Peitscheneinsatz teilweise in sehr scharfer Form kommentiert haben, seien an die King George VI von 2012 erinnert. Danedream gewann mit Andrasch Starke nach hartem Kampf auf der Linie mit einer Nase. Vor allem auf den letzten hundert Metern hat Andrasch sehr energisch mit der Peitsche geritten, um den Gegner dann auf der Linie zu stellen. Ganz Turfdeutschland jubelte über den ersten Erfolg eines in Deutschland trainierten Pferdes in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes. Daß Andrasch etwas mehr hingelangt hat, als er es normalerweise tut, war kaum einer Erwähnung wert.

Nachtrag: Wie ich Mittwoch aus einer im allgemeinen gut informierten Quelle erfahren habe, soll die Bestrafung bei zu starkem Gebrauch der Peitsche weiter verschärft werden. Danach ist folgende Regelung angedacht (ohne Gewähr): Ohne Vorstrafe , ab dem 6 Schlag, 14 Tage Reitverbot, mit Vorstrafe 21 bzw 30 Tage. Zusätzlich Gewinnbeteiligung und Geldstrafe wie gehabt.

Wenn das Gesetz werden sollte kann man den Jockeys nur raten, in einen Streik zu treten. Die Funktionäre, die diese Regeln machen, haben meistenfalls noch nie auf einem Pferd gesessen, geschweige denn ein Finish geritten – und wollen jetzt einen Strafenkatalog einführen, der die wirtschaftliche und soziale Situation der Jockeys noch weiter verschlechtert. Haben die Funktionäre schon  einmal unter den Bedingungen gelebt und gearbeitet, unter denen ein Jockey arbeitet?

Andreas Suborics hat es in seinem Schreiben and das Direktorium treffend gesagt: Ganz im Ernst, kennen Sie irgendeinen deutschen Jockey, der nach seiner Karriere vermögend war? Nein!!!

Unter den großen Rennsportländern in Europa haben wir die geringsten Rennpreise und damit Jockeyprozente, sehr wenige Rennen, in denen die Jockeys Geld verdienen können, aber die höchsten Strafen für Peitschenmißbrauch.

Ich kann bei diesem Ansinnen des DVR und bei so viel Unverständnis in den Gremien nur noch den Kopf schütteln!
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Stellungnahme von Andreas Suborics zum Peitschengebrauch

Nachfolgend eine Stellungnahme, die Andreas Suborics an das DVR geschrieben hat.

Ich finde den  Vorschlag gut – wobei 14 Tage in Deutschland bei den wenigen Renntagen eine lange Zeit sind – und man sollte in einem engen Finish auch 8 Schläge zulassen.
Wenn beim ersten Vergehen gleich 14 Tage verhängt werden, dann ist es mit der Steigerung bei Wiederholungstätern schwer.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte zu dem aktuellen viel diskutierten Thema zum Peitscheneinsatz im Rennen einige Vorschläge zu einer vernünftigen Regelung für alle Beteiligten machen.
Ganz kurz sollte auch erwähnt werden, dass wir vor noch kurzer Zeit eine tolle Regelung mit sieben Stock-Einsätzen im Rennen hatten, die nicht nur mit den meisten westlichen Rennsportländern konform war, sondern auch weit weniger Wellen hochgeschlagen hat als das Thema es heutzutage  tut.

Mein Vorschlag zu der Regelung wäre folgender: ab dem 7. Einsatz, sprich dem8. Schlag, sollte man von Vorsatz sprechen, dieses Vergehen sollte dann mindestens eine Sperre von 14 Tagen nach sich ziehen. Außerdem wäre es dann für alle Beteiligten verständlich, dass man bei so einem Vergehen auch Prozente von den Akteuren abzieht.Diese Regelung würde den ausländischen Jockeys jeden Vorteil nehmen, denn die meist hoch bezahlten engagierten Reiter haben wichtige Verpflichtungen im Heimatland, und als Jockey möchte man seinem Chef, Trainer, 14 Tage Ausfall nicht erklären müssen. Somit wäre es eine wirklich abschreckende Regelung.

Aber im Gegensatz dazu muss es auch eine vernünftige Lösung  für die einheimischen Rennreiter geben, denn die meisten Vergehen deutsch lizenzierter Jockeys haben sechs oder sieben Einsätze nie überschritten, und man sollte bei so einem Verstoß nicht aus den Augen verlieren, dass es noch immer darum geht, das bestmögliche Resultat für alle Beteiligten herauszuholen ( Pferd, Besitzer, Trainer , Züchter, Stallpersonal und Jockey.)
Es kann nicht sein, dass wir Jockeys, die in jedem Rennen unsere Gesundheit riskieren, manchmal bei Erfolg dreifach bestraft werden( Bußgeld , Prozentabzug und Sperre ) ??? Ganz im Ernst, kennen Sie irgendeinen deutschen Jockey, der nach seiner Karriere vermögend war? Nein!!!Wir Aktiven sind wirklich mit Herzblut dabei, und am Ende des Tages werden wir dann doch nur am Erfolg gemessen. Also dann haben wir doch bei Erfolg und Misserfolg die gleiche Regelung verdient! Es muss eine faire Regelung für uns alle geben, also bitte so lange kein Vorsatz vorliegt ( siehe oben) lassen Sie unsere Prozente unangetastet.

Eine Disqualifizierung kann und darf aber kein  Thema sein, wir können uns nicht erlauben nur einen wettenden Kunden zu verlieren. Es wäre auch nie im Leben möglich so eine Regelung den französischen Kunden, die über PMU ihre Einsätze tätigen, zu erklären. Ich bitte Sie zur Liebe des Rennsports von so einer Maßnahme abzusehen, und bei diesem Thema die bestmögliche Regelung zu finden.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Suborics

ps: zu dem Protest von Herrn Pudwill im Derby hab ich nur eine Meinung: Wenn der eigene Reiter mit sechs Schlägen ( leider von der Rennleitung nicht geahndet, ich hab mir das Rennen mehrfach angeschaut und da darf es keine zweite Meinung geben  ) gegen das Reglement verstößt , sollte man den Ball sehr flach halten. Es ist aber auch sehr schade, dass dem sehr engagierten Besitzer von Darius Racing der sportliche Erfolg so vermiest wird.

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Peitschenmißbrauch und die Bestrafung

Das Derby und der Peitschenmißbrauch der ausländischen Reiter haben viel Staub aufgewirbelt und sind auch in den sozialen Medien teilweise nicht mehr sachlich diskutiert worden.

Der Besitzer des Drittplazierten hat inzwischen gegen den Sieger Protest wegen vorsätzlicher Mißachtung der Peitschenregel eingelegt. Hintergrund soll sein, daß der Manager des Stalls Darius dem Jockey im Führring gesagt haben solle, daß er sich keine Sorge wegen einer Peitschenstrafe machen solle, die würde der Besitzer übernehmen. Dies soll eine bezeugte Aussage sein.

Die Rennleitung in Hamburg hat die Reiter des Derbys wie folgt bestraft: Die RL belegte D. Vargiu wegen Verstoß gegen Nr. 594/10 RO mit einer Geldbuße von 2.000 EUR, F. Tylicki wegen Verstoß gegen Nr. 594/10 RO mit einem Reitverbot vom 24.07. bis einschl. 27.07. (4 Renntage), F. Tylicki wegen Verstoß gegen Nr. 594/10 RO mit einem Verfall von 75 % der Gewinnprozente, D. Vargiu wegen Verstoß gegen Nr. 594/10 RO mit einem Verfall von 75 % der Gewinnprozente.

75% der Gewinnprozente im Derby heißt für D Vargiu eine Geldstrafe von 14.625 und für F. Tylicki eine Geldstrafe von 4.875 EUR. Vargiu sind das insgesamt 16.625 EUR, für  F. Tylicki läßt sich der Einkommensausfall nicht einfach berechnen.

Die Strafen sind heftig – und ich möchte als Nichtjurist einmal den Versuch wagen,  sie in das allgemeine Rechtssystem ein zuordnen. Das deutsche Recht unterscheidet zwischen Ordnungswidrigkeiten und Strafrecht.  Bei den Ordnungswidrigkeiten wird ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 1.000 EUR ohne Rücksicht auf das Einkommen des “Täters” verhängt.

§17 Abs. 4 OwiG enthält dabei eine Besonderheit: Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so kann es überschritten werden.

Diese Verschärfung wird aber durch §17 Abs. 4 OwiG Abs. 2 deutlich gemildert: Droht das Gesetz für vorsätzliches und fahrlässiges Handeln Geldbuße an, ohne im Höchstmaß zu unterscheiden, so kann fahrlässiges Handeln im Höchstmaß nur mit der Hälfte des angedrohten Höchstbetrages der Geldbuße geahndet werden.

Vorsatz wird man dem Reiter nicht unterstellen und noch schwerer beweisen können. Selbst wenn er vom Besitzer einen “Freifahrtschein” für eine mögliche Strafe wegen Peitschenmißbrauchs bekommen hat, heißt das nicht, daß er davon zwingend Gebraucht macht und bei einem anderen Rennverlauf (ein überlegenes Pferd) gar nicht in die Versuchung gekommen wäre, die Peitsche zu häufig einzusetzen.

Nimmt man die Geldstrafen des Strafrechts als Maßstab, dann muß zunächst das Einkommen der zu Bestrafenden ermittelt werden. Es handelt sich dabei dann um das Netto-Einkommen, das wirklich zur Verfügung steht und wird regelmäßig nach unten gerundet. So wurde bei einem  aus den Medien  bestens bekannter “Selbstdarsteller”, der vor einigen Jahren in Zusammenhang mit Zwangsprostitution strafrechtlich belangt wurde, ein Tagessatz von 100,- DM (so lange ist es her) zugrunde gelegt wurde. Mich hatte dieser Wert sehr gewundert da er damals einige Sendungen im ‘TV moderierte und allein daraus ein deutlich höheres Einkommen erzielen mußte. Aber sei es drum, es wurde runter gerechnet.

Wie viel Tagessätzen würden die Strafen im Derby nach diesem Maßstab entsprechen. Kann man im Zusammenhang mit dem Peitschenmißbrauch überhaupt von einer Straftat sprechen oder ist es eine Ordnungswidrigkeit, die im Fußball mit einer gelben Karte geahndet wird?  Bewegt sich die Höhe der Geldstrafe bei D. Vargiu schon im Bereich von 90 Tagessätzen, wonach er dann vorbestraft im strafrechtlichen Sinn wäre?  Denn es darf nicht alleine der Rennpreis in dem jeweiligen Rennen gesehen werden. Es muß auch die wirtschaftliche Gesamtsituation des Reiters gesehen werden. Vielleicht ist es der einzige Erfolg in einem großen Rennen des sonst wenig beschäftigten Jockeys.

Der Ausflug in die ordentliche Justiz macht die Sache sicher nicht einfacher – aber man kann die Geldstrafen auch nicht nur mit der Rennsportbrille sehen. Der Peitschenmißbrauch ist dabei fast die Königsdisziplin des Strafenkatalogs, abgesehen von der Behinderung auf der Zielgeraden. Das ist wie das Foul im Strafraum, dafür gibt es Elfmeter bzw. Das Rennen geht an den Behinderten.

Es kann hier jedenfalls nicht von Vorsatz ausgegangen werden, denn man geht nicht ins Rennen und sagt, ich gebrauche die Peitsche zu oft. Deswegen kann auch die Höchstgrenze, nämlich der Verfall des erzielten wirtschaftlich Vorteils, nach Ordnungswidrigkeitengesetz nicht angewendet werden.

Orientiert sich der Rennsport am Ordnungswidrigkeitengesetz oder am Strafrecht?

Von den großen europäischen Rennsportländern hat Deutschland die strengsten Regelungen für den Gebrauch der Peitsche. Sie darf im Rennen fünfmal eingesetzt werden. Wohlgemerkt im Rennen – nicht auf der Zielgeraden, egal ob 1000m oder 4000m.
Die liberalsten Vorschriften haben die Iren. Dort ist der Gebrauch der Peitsche erlaubt, wenn das Pferd nach einem Schlag anzieht und beschleunigt. Die Peitsche muß dem Pferd vorher gezeigt werden oder es muß auf die Schulter geschlagen werden. Die Peitsche darf nicht zu hoch geführt werden und zwischen den Schlägen muß das Pferd Gelegenheit haben, zu reagieren. Wann es zuviel ist, liegt sehr im Ermessen der Rennleitung und dem Verlauf des Rennens. Die gleiche Schlagzahl kann bei Kopf Zweiter zu viel sein und beim Sieger ist sie in Ordnung.

In England und Frankreich sind sieben Schläge mit der Peitsche erlaubt. England hatte mal ein ähnliches System, wie es in Deutschland derzeit angewendet wird. Bei Peitschenmißbrauch verfielen die Gewinnprozente. Davon ist man aber wieder abgerückt. Die Strafen sind unterschiedlich, aber weit von den deutschen Strafen entfernt.
Wir haben im europäischen Vergleich die niedrigsten Rennpreise in Deutschland – und gleichzeitig die höchsten Strafen für Peitschenmißbrauch.

Die Regeln müssen im Sinne des Sports überdacht werden  - und das kann keineswegs eine Verschärfung bedeuten.

Die Frage des Tierschutzes ist auch noch zu diskutieren. Das kommt in Kürze.

Und alle Kritiker, die den Peitscheneinsatz teilweise in sehr scharfer Form kommentiert haben, seien an die King George VI von 2012 erinnert. Danedream gewann mit Andrasch Starke nach hartem Kampf auf der Linie mit einer Nase. Vor allem auf den letzten hundert Metern hat Andrasch sehr energisch mit der Peitsche geritten, um den Gegner dann auf der Linie zu stellen. Ganz Turfdeutschland jubelte über den ersten Erfolg eines in Deutschland trainierten Pferdes in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes. Daß Andrasch etwas mehr hingelangt hat, als er es normalerweise tut, war kaum einer Erwähnung wert.

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Das Derbymeeting 2016

Das Derbymeeting 2016 ist Geschichte – ein kleiner Blick zurück.

Das erste Gruppe-Rennen des Meetings gewann Shy Witch aus dem Stall von Hans Jürgen Gröschel, geritten von Ian Ferguson und im Besitz von Karin Schwerdtfeger. Die Stute war nach zahlreichen guten Vorleistungen einfach dran.

Am Sonntag erlebten die Zuschauer die Rückkehr des wiedererstandenen Protectionist. Wie 2014 gewann er den Hansapreis aber dieses Jahr in überlegener Manier. Ein Lehnstuhlritt für Eddy Pedroza, der den Monsun-Sohn nur in Schwing halten mußte. Die verantwortlichen von Australian Bloodstock Stable ließen schon den Wunsch anklingen, ihn im November wieder im Melbourne-Cup sehen zu wollen, wozu sich Andreas Wöhler aber erst mal noch reserviert geäußert hat. Dem Vernehmen nach soll er jetzt im Großen Preis von Berlin in Hoppegarten laufen. Und träumen wir einfach mal von einer großen Herbstkampagne in Europa mit einem Ausflug nach Frankreich als Höhepunkt.

Den Flieger-Preis am dritten Tag gewann Der Contat-Sohn Schäng gewann als einziger Dreijähriger im Feld. Der Vater Contat gehört nicht unbedingt zur Elite der Deutschen Deckhengste. Und wenn ein Dreijähriger im Juli gegen die Älteren gewinnt, scheint der Derbyjahrgang dann doch nicht ganz so schlecht zu sein, wie zuerst vermutet. Auch daß Capitano den ersten Ausgleich I des Meetings mit hohem Gewicht als Dreijähriger gegen die Älteren gewann, spricht eher nicht unbedingt für einen schlechten Jahrgang.

Im “Langen Hamburger” am Mittwoch sah mit Rock of Romance einen soliden und bewährten Steher aus dem Stall von Andreas Wöhler und im Besitz des Schweizers Hans-Georg Stihl vorne. Dahinter belegte Summershine aus dem Stall der mecklenburgischen Besitzertrainerin  Anna Schleusner-Fruhriep den zweiten Platz. Das Quartier fällt immer wieder mit hervorragenden Leistungen eher bescheiden gezogener Pferde auf.
Zu bemerken ist noch der Ritt von Dennis Schiergen auf Amour de Nuit aus dem Stall von Sir Mark Prescott. Man kann es schon als Auszeichnung für den “Teilzeitprofi”, der hauptberuflich studiert, betrachten, wenn er von einem so renommierten und erfpolgrreichen Trainer aufs Pferd gesetzt wird, denn es gab einige Jockey mit größerer Reputation, die vor Ort waren, aber in dem Rennen keinen Ritt hatten.

Donnerstag war rennfrei und Freitag mußte der Renntag kurzfristig abgesagt werden, weil ein Starkregen am späten Vormittag die Bahn im Sinne des Worts unter Wasser setzte. Der Renntag fiel aus und die Hamburg-Trophy als Hauptrennen wurde am Dienstag in Hannover gelaufen.
Lotto Hamburg als Sponsor hatte 350 Gäste eingeladen, die den Rennausfall mit Humor zur Kenntnis nahmen. Das Essen sei fertig und wir sitzen im Trockenen und jetzt wird gefeiert, war die einhellige Meinung. Da keine Pferde störten, wurde die Musik lauter gedreht und die Gesellschaft löste sich denn in den Abendstunden auf – und Lotto Hamburg zahlt den Sponsoren-Anteil an den HRC trotzdem. So muß das sein!

Man mußte Schlimmes für das Derby befürchten, weil der Boden durch die vergangenen Renntage schon arg strapaziert war und dazu die Wassetrmassen am Freitag. Dazu kam, daß die vor einigen Jahren neu angelegte Innenbahn als Entlastungsbahn nicht genutzt werden konnte, weil durch die Wasserführung in Hamburg diese noch nasser war als die Hauptbahn. Sie war schlichtweg nicht einsetzbar.

Der Zuschauer-Raum im inneren der Bahn erinnerte eher an Woodstock als an das Derbymeeting. Matsch und Schlamm, wohin man sah. Aber so man hörte, war die Stimmung trotzdem gut und auch ein wenig nach dem Motto “jetzt erst recht”, wir lassen uns vom Schiet-Wetter doch nicht das Derbymeeting verderben.

Den Nutan – Hamburger Stutenpreis am Samstag sah mit Near England eine Lord of England Tochter aus dem Gestüt Wittekindshof, trainiert von Markus Klug und geritten von Andreas Helfenbein vorne.

Auf dem Geläuf war der Boden tief. Dazu zwei Zahlen. Gewann Protectionist den Hansa-Preis  mit 6,9 sec/100m brauchten die Stuten am Samstag im Nutan – Hamburger Stutenpreis 7,4 Sec/100m oder anders ausgedrückt, Protectionist gewann mit 51,6 km/h und Near England mit 48,4 km/h. Rechnete man die Zeit von Near England auf 2400m hoch, dann hätte der Derbysieger rund 2:58 für die klassischen 2400m gebraucht.

Aber es kam ganz anders. Hamburg hat wegen des Bodens schon öfter in der Kritik gestanden und das Direktorium wollte das wichtigste Rennen des Jahres deswegen schon mal an eine andere Bahn vergeben. Daß dies juristisch schon damals mehr als zweifelhaft war, ist eine andere Sache, aber das soll jetzt mal außen vor bleiben.
Jedenfalls hat man in Hamburg mächtig in das Geläuf investiert , die Bahn verbreitert, so daß man die Rails besser umsetzen kann, umfangreich die Grasnarbe saniert und vor allem eine effiziente Drainage installiert – und Petrus half den Hamburgern. Statt Regen gab es Sonne.

Die Bahn wurde Samstag bis Sonnenuntergang mit Sand aufgefüllt, so daß der Boden eben wurde. Dies alles geschah manuell, weil Maschinen Spuren hinterlassen hätten und das konnte man nicht wirklich gebrauchen. Drainage – Sonne und Arbeiten an der Bahn zeigten Wirkung. Die Zeiten am Sonntag waren deutlich schneller als am Samstag. Die Bahn war nicht mehr tief, sondern nur noch schwer. Auch wenn das natürlich nicht darüber hinwegtäuschen darf, daß die Bahn “benutzt” und von den vergangenen Renntagen in Mitleidenschaft gezogen war. Aber das wäre bei jeder anderen Bahn genauso.

Mit Abstrichen waren es gute Bedingungen für das Rennen der Rennen in Deutschland. Daß es als 10. Rennen gelaufen wurde, ist natürlich auch nicht optimal, aber auch den Rahmenbedingungen im Rennsport geschuldet. Der Besuch mit rund 18.000 Zuschauern und zum Derby mit gut 20.000 Zuschauern war im historischen Vergleich nicht überragend, aber aktuell kann sich die Zahl sehen lassen.

Derbysieger wurde mit Isfahan einen Lord of England-Sohn aus dem Stall Darius und von
Andreas Wöhler trainiert. Isfahan vor Savoir Vvire aus dem Stall Ullmann und Dschingis Secret im Besitz von Horst Pudwill  lautete der Einlauf.

Der Favorit Boscaccio aus dem Stall von Christian Sprengel lkam mit dem Boden gar nicht klar und wurde Achter, ebenso der Landofhopeandglory aus dem Coolmore-Imperium, der enttäuschender Vorletzter wurde. Bei ihm als Vertreter der Waldrun-Familie hätte man eigentlich annehmen können, daß er den Boden kann und Aidan O’Brien muß sichtlich enttäuscht über das Abschneiden seines Schützlings gewesen sein. Aber man sollte auch nicht vergessen, daß der Hengst zuletzt ein strammes Programm absolviert hat.Am 17. Juni während Royal Ascot über 3216m, am 26. Juni  über 2816m und dann am 10. Juli im Derby. Drei schwere Rennen in 3 1/2 Wochen. Das muß ein Pferd erst mal wegstecken.

Die Abstände waren knapp und es gab nach dem Rennen heftige Diskussion wegen des Peitschengebrauchs und daß Dschingis Secret der moralische Sieger war, weil Martin Seidl sich weitgehen an die deutschen Vorschriften zum Peitschengebrauch gehalten habe. Dazu in einigen Tagen mehr.

Jedenfalls muß der Derbysieger ein ziemlich gutes Pferd sein, denn eigentlich war er von Savoir Vivre schon passiert und packte dann noch einmal groß an, um die Kiste nach Hause zu schaukeln. Und es war schön, daß die drei Erstplazierten Pferde alle von einem in Deutschland aufgestellten Deckhengst abstammen.

Und sonst?
Natürlich wurde in den sozialen Medien heftig über den Derbystandort gestritten und daß Hamburg dafür einfach nicht die richtige Bahn sei und das Derby am Besten nach Hoppegarten gehe, weil Geläuf und Rennbahn einfach besser zum Derby passen.

Allen Kritikern sei dazu Folgendes gesagt.
Das Derby ist seit einigen Jahren im Prinzip ohne echten Sponsor und es ist nicht das einzige Gruppe-Rennen, bei dem der Veranstalter Schwierigkeiten mit dem Sponsoring hat. Auch der Große Preis von Baden wird ohne echten Sponsor gelaufen. Es ist also kein Hamburger Problem.

Und welcher Verein hat ein Vorstandsmitglied, das “mal eben” aus Passion und aus einem hanseatischen Pflichtgefühl heraus jedes Jahr den Wert eines besseren Einfamilienhauses auf den Tisch legt, damit sich ganz Turfdeutschland über Hamburg als Derbystandort aufregen kann?

In den großen Rennen zahlt Hamburg nur noch die deutsche Standard-Dotierung, aber in den kleinen Rennen ist die Dotierung deutlich höher als im Rest der Republik. Um es klar zu sagen, Hamburg zahlt die besten Rennpreise in Deutschland! Und vergleicht man das Rahmenprogramm des Derbytags mit dem Rahmenprogramm eines anderen Gruppe-1 Renntags in Deutschland. Dann ist der Unterschied eklatant. Ein Ausgleich I, ein Listenrennen, zwei Auktionsrennen und kein Ausgleich IV! Das sieht auf anderen Bahnen leider ganz anders aus.

Die Bahn war schwer, aber in Ordnung. Es muß auch mal ein Derby auf schwerer Bahn geben,  immer nur Boden gut ist langweilig. Es gab nicht wenige, die in Hamburg gewonnen haben und sich über den Boden richtig gehend gefreut haben. Immer nur “Boden gut” ist auch langweilig und es kann auch nicht im Sinne der Zucht sein, wenn nur noch Pferde für trockenen Boden in den großen Rennen nach vorne laufen.

Die Maßnahmen des HRC unter Federführung von Volker Linde am Geläuf haben sich gelohnt. Was noch fehlt, ist eine Verbesserung im Zuschauerbereich. Das Derbymeeting ist ja nicht Woodstock. Bei schönem Wetter ist der Rasen ein angenehmer Boden  - aber bei Regen wird es eben eine Schlammwüste – Leider.

Das Wettgeschäft
Gewettet wurde in Hamburg ordentlich. Nach dem ersten Wochenende hatte man ein Plus in den Kassen. Die Zahlen liegen noch nicht vor, wreil dieses jahr erstmals eine enge Zusammenarbeit mit der französischen PMU erfolgte.  Das führte auch zu zahlreichen technischen Problemen. Bei einigen Wettanbietern war die Wettart Sieg teilweise nicht im Angebot etc. Kinderkrankheiten, die hoffentlich bald beseitigt sind. Aber eigentlich dürften sie bei dem Anspruch, den die PMU hat, erst gar nicht auftreten.

Die deutschen Wettanbieter.Es ist natürlich schwierig für den HRC wenn Pferdewetten und Racebets während der Derbywette mit Bonusaktionen von 25% werben und dann die Voreinstellung im Wettportal auf “Buchmacherwette” steht. Besonders bei Racebets, die doch eigentlich Partner des Rennsports sind, stößt so etwas sauer auf. Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr. Und vor seinen Feinden kann man sich bekanntlich besser schützen als vor seinen Freunden.

Es bleibt die spannende Frage, wie und wann die Rennbahn umgebaut wird. Der Hamburger Senat muß dem offen gegenüber stehen, aber es wird wohl noch einiges Wasser die Elbe runter fließen, bis das spruchreif ist.
Das Geläuf ist okay – der Zuschauerbereich wird von einem solchen Umbau hoffentlich profitieren.

Eigentlich sollte der After-Work-Renntag am Dienstag auch noch in Hamburg gelaufen werden. Aber der wurde dann aus nicht allgemein bekannten Gründen nach Hannover vergeben.

Und 2017 ist wieder Derby in Hamburg – und es wird wieder über Bahn und Boden geflucht. So ist das eben in Turfdeutschland.

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Deutsches Derby 2016 – Auf den Spuren von Mah Jong

Mah Jong hält seit fast 90 Jahren einen eigentlich uneinholbaren Rekord im Deutschen Derby. Er ist mit 3:03 min der langsamste aller Derbysieger seit Beginn der Zeitmessung in Hamburg bzw. seit das Derby über 2400m gelaufen wird.

Es hat auch in der jüngeren Geschichte einige Schlammschlachten auf dem Horner Moor gegeben. 1980 war so ein Jahr. Navarino gewann auf tiefem Boden in 2:48,1 (offizielle Bodenangabe: tief) und damit in der langsamsten Zeit seit Endes des zweiten Weltkriegs. Robertico 1998 war auch ein Schlammkönig von Hamburg, genauso wie Zauberer 1978. Bernd Selle kann sehr lebendig von diesem Derby berichten.

Und dieses Jahr könnte es einen neuen Rekord für das langsamste Derby geben – vielleicht nicht nur für die langsamste Nachkriegszeit, sondern für die langsamste Zeit überhaut. Der Rekord von Mah Jong scheint erstmals in Gefahr zu geraten. Eine kühne Annahme, ein Schlechtreden? Keineswegs. Am Samstag sind die Stuten in einem Gruppe-3 Rennen über 2200m 2:43,6 gelaufen. Rechnet man diese Zeit auf 2400m hoch, muß man nochmal rund 15 Sekunden dazu rechnet und kommt auf eine rechnerische Zeit von rund 2:58. Das ist nur 5 Sekunden von Maj Jongs Rekord entfernt.

Bekommt Hamburg heute noch mal Regen ab – wie sieht dann der Boden morgen aus, wenn das Derby gestartet wird. Hoffentlich kann man die Startmaschine bewegen und muß nicht auf Bänderstart ausweichen. Auf jeden Fall wird es ein Derby der Spezialisten werden. Und leider – das muß auch gesagt werden – sind die Derbysieger auf schwerem Boden selten als große Rennpferde in die Geschichte eingegangen und als Deckhengst haben sie sich auch nicht sonderlich hervorgetan. Das gilt sowohl für die Derbysieger der jüngeren Vergangenheit als auch für die “Historischen”.

Wai Key Star
Mit drei Starts ist der Soldier Hollow-Sohn aus dem Stall Salzburg noch nicht oft am Ablauf gewesen. Sein Sieg im ehemaligen Albert v. Metzler Rennen, das dieses Jahr wegen der Frankfurter Querelen in Baden-Baden gelaufen wurde, sah sicher nicht schlecht aus – aber reicht bei den Bedingungen die Routine?

Boscaccio
Bei vier Starts ungeschlagen – das Pferd mit der weißen Weste. Bei strahlendem Sonnenschein hat er die Union gewonnen. Mit Christian Sprengel hat er einen Trainer, dessen zahlreiche Verwandte im Sport mehr Sieger trainiert haben dürften als die Verwandschaft aller anderen Derbytrainer in diesem Jahr  zusammen. Dennis Schiergen hat als Amateur in Berlin schon mal Gruppe 1-Luft geschnuppert und auch nach dem Wechsel ins Profi-Lager kann sich sein Rekord sehen lassen. Aber auf dem Favoriten oder Mitfavoriten im Derby zu sitzen, ist ein anderes Gefühl – und ein ganz anderer Druck. Nicht unbedingt der beste Jockey steuert den Sieger, sondern der mit den besten Nerven – und vielleicht gelingt Dennis das, was seinem Vater nicht gelungen ist – ein Derbysieg im Sattel.

El Loco
Er kommt zwar aus Röttgener Zucht, aber er repräsentiert die Waldfrieder Linie der Egina, aus der schon der Derbysieger von 1968 hervorgegangen ist. Und die Sippe kann allgemein weichen Boden, das paßt schon mal. Aber so richtig den Biß für Sieger hat El Loco nicht. Beim Debut gewonnen und danach immer brav auf den Ehrenplatz gelaufen. Und Röttgen teilt mit Schalke das Schicksal, daß die einen die Salatschüssel und die anderen den Derbypott zuletzt 1959 gewonnen haben – ob Röttgen den Fluch vor Schalke besiegt?

Dschingis Secret
Die zweiten Waffe von Röttgens Trainer Markus Klug und noch ein Sohn des “Soldaten” und  genau wie Wai Key Star aus Wiedinger Zucht. Seit 106 Tagen wartet er am Derbytag auf den nächsten Sieg. Nette Formen hat er im Tornister – aber den Marschallstab seh ich da nicht versteckt.

Isfahan
Der Winterfavorit gewann dieses Jahr das Bavarian Classic und war Fünfter im Derby Italiano. Seine Mutter brachte schon zwei Gruppe-Pferde vor ihm, aber Bodenspezialisten sehe ich da nicht. Darius Racing erinnert mich gerade an den großen Perserkönig, der bei Issos die große Keilerei gewann und die Griechen in den Knie zwang – aber die Form ist schon 2349 Jahre alt – nicht mehr ganz frisch.

Parthenius
Der kleine rechte Bruder von Pastorius, der 2012 keinen geringeren als Novellist in einer Kampfankunft in Hamburg auf den zweiten Platz verwies. Parthenius ist Sieger im Herzog von  Ratibor Rennen, dreijährig nur im Dr. Busch Memorial gelaufen und noch ein Soldier Hollow.  Den Derbysieg zweier Vollbrüder hat es noch nicht gegeben. Sollte Parthenius Geschichte schreiben?

Landofhopeandglory
Der nachgenannte Gast aus Irland aus dem mächtigen O’Brien -Quartier. Wetterbedingt liegt er mir inzwischen schwer im Magen. Ein Sproß der alten Waldrun-Familie, die schon drei Derby-Sieger gestellt hat und die zwar nicht spezialisiert auf schwere Bahn ist, den Boden aber ziemlich gut kann. Neun Starts hat der High Chaparral-Sohn schon im Bauch, aber außer beim Debut hat er noch nicht gewonnen. Er ist mehr in den zwei Meilen Rennen und nicht auf den klassischen 2400m gelaufen. Zuletzt war er Zweiter im Curragh Cup über rund 2800m. Die schienen ihm besser zu gefallen als die 3200m aus der Queens Vase.
Und Waldpark war damals auch ein eher unbeschriebenes Pferd, als er das Derby gewann.

Noble House
Landos letzter Jahrgang. Einen Sieg hat der Lando-Sohn im Rekord stehen – und Lando lief am Besten auf der Autobahn. Harte Piste, wie im Japan Cup 1995 und im Derby 1993, in dem er Monsun und Sternkönig niederrang. Meine beste Derbywette ever und einer der besten Jahrgänge im deutschen Turf überhaupt. Aber Autobahn ist in Horn heute nicht und ich glaub es einfach nicht.

Berghain
Einmal gewonnen – nett gelaufen in den angesagten Vorprüfungen. Aber zwingend sieht für mich anders aus.

Nimrod
Noch ein High Chaparral. Sechs Stars, ein Sieg, mit Dennis’ kleinem Bruder im Sattel. Wann hat eine Mutter schon mal zwei Jockeys im Derbyfeld? Wird auch noch nicht so oft vorgekommen sein. Nimrods Mutter war klassische Siegerin in den Oaks d’Italia. Aber die Klasse scheint er nicht zu haben. Nettes Pferd, aber nicht zwingend im Derby.

Savoir Vivre
Auch wenn er in den Farben des Stalles Ullmann läuft, ist er ein Schlenderhaner durch und durch. Adlerflug gewann nach langer Durststrecke für die alte Baronin Ullmann das Derby 2007 auf offiziell weicher Bahn – und die Zeit paßt auch dazu. Aber es waren damals vor der Sanierung des Geläufs in Hamburg auch nicht die besten Verhältnisse. Der Boden war aufgewühlt und man wollte Adlerflug zum Nichtstarter machen,. Aber die Baronin wollte laufen – und hatte recht! Die Mutterlinie ist das Beste vom Besten, was die deutsche Vollblutzucht hat: Die Schwarzgold-Familie und darüber zu berichten, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Ich glaube, daß Savoir Vivre den Boden kann – aber drei Lebensstarts sind nicht viel Routine. Trotzdem mag ich ihn und hoffe auf ihn. Und mit Frederick Tylicki hat er einen guten Jockey im Sattel – wie der Vater so der Sohn?

Our Last Summer
Der Gast aus Norwegen will den Deutschen an der Elbe das Fürchten lehren. Sommer hatten wir dieses Jahr noch nicht und der Sieg in den Norsk 2000 Guineas ist nicht wirklich eine Referenz für das Deutsche Derby. Ich glaube nicht dran.

Landin
Ein weiterer Starter aus dem großen Schiergen-Stall. Drei Starts, ein Sieg im Sieglosen. Das reicht wohl nicht.

Licinius
Aus Fährhofer Zucht in den Farben des Stalls Mandarin, trainiert von Yasmin Almenräder. Ein Sieg und im Bavarian Classic mitgelaufen … hmmm.

Bora Rock
Noch ein Schiergen-Pferd, aber sieglos – ein ziemlich unwahrscheinlicher Derby-Sieger

Larry
Schon teilweise in australischem Besitz und in Hoppegarten von Uwe Stech trainiert. Zwei Starts, zwei Siege in kleinen Rennen. Beim zweiten Start überlegen gewonnen. Sein Vater Literato hat zwar die Champion Stakes von Newmarket und noch andere gute Rennen gewonnen, aber als Deckhengst reißt er in Frankreich keine Bäume aus. Aber irgendwie ist das ein Dunkler, von dem man nicht weiß, ob da noch mehr im Tank ist.

Zanini
Der Deutsche mit 9 Starts und gleichauf mit Landofhopeandglory, aber sieglos. Die Besitzer haben wohl mal eine Derbynennung riskiert und wollen jetzt gerne mal dabei sein. Kann ich gut verstehen, aber es reicht einfach nicht.

Rosenhill
Der Tiger Hill Sohn ist Sieger in einer leichten Aufgabe in München. Mit Eva-Maria Zwingelstein hat er die einzige Frau in diesem Derby im Sattel. Mit Rosengeste hat er eine tolle Mutter, aber sein Vater ist damals selbst im Schlamm von Horn steckengeblieben. Er mochte den Boden einfach nicht – und sein Sohn wird es auch nicht können.

Buzzy
Aus dem Stall von Besitzertrainer Guido Förster hat sich mit einem Sieg in Hamburg vor Wochenfrist das Derbyticket geholt. Das Horner Moor kennt er schon und es scheint ihm zu gefallen. Aber auch hier ist eher der olympische Gedanke als eine echte Siegchance der Grund für einen Start.

Und das Resumée von der Geschicht? Das Derby ist wie Königsberger Klopse, da ist alles drin, hat Heinz Jentzsch einmal gesagt. Stimmt für dieses Jahr besonders, denn nicht allein die Klasse wird entscheiden, sondern auch die Fähigkeit, auf diesem Boden schnell laufen zu können.

Einen Sympathie-Fünfer bekommt Boscaccio, weil die Form stimmt und die Weste sauber ist und auch weil ich es dem Team und besonders Christian Sprengel wünsche. Und ein Studiker als Derby-Siegreiter wäre auch ein neues Kapitel im großen Buch des Turfs. Und Savoir Vivre bekommt auch einen Sympathie-Fünfer. Adlerflug – Tylicki und Schlenderhan. Ich fänd es klasse! Und El Loco, damit der Derby-Fluch für 4711 gebrochen wird. Aber ich fürchte, es gibt einen irren Sieger!

Aber egal, wer gewinnt. Das Wichtigste ist ein ordentliches Rennen ohne Zwischenfälle, und daß alle Kandidaten gesund nach Hause kommen.

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Hamburg sagt Freitag-Renntag ab.

Hier im Rheinland ist zwar drückende Luft, aber es ist schönes Wetter mit viel Sonne. Da hatte man die Hoffnung, daß es in HH ähnlich ist und die Bahn abtrocknet und besser präpariert werden kann.

Aber dem ist nicht so – so wie es aussieht, ist in HH der Himmel runter gekommen und das Wasser steht auf der Bahn. Der Hamburger Rennclub hat die Reißleine gezogen und den Renntag am Freitag gecancelt und mitgeteilt, daß die Rennen nicht nachgeholt werden. Ein Gruppe-Rennen und ein Ausgleich I werden nicht gelaufen.

Aus Hamburger Sicht verständlich, denn den Renntag auf Montag zu verlegen, würde wahrscheinlich ein ziemliches Negativgeschäft werden – und nächste Woche noch mal Stimmung auf der Bahn zu bekommen, dürfte ebenso schwer sein.

Am Dienstag wird in Hannover der PMU-Renntag gelaufen, der eigentlich in HH gelaufen werden sollte. Eigentlich wäre es eine praktikable Lösung, wenn die beiden Hauptrennen des heutigen Tages am Dienstag in Hannover nachgeholt werden. Der Preis des Hannoverschen Rennvereins macht sich auch in Hannover gut – und Lotto Hamburg als Körperschaft des öffentlichen Rechts sollte einfach alle Augen einschließlich der Hühneraugen zudrücken und der Verlegung auf eine Bahn außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets zustimmen.

Noch besser wäre es, den Renntag nach Bremen zu verlegen. Allein schon, damit der Galoppsport in Bremen Flagge zeigt, ist es sinnvoll, den Renntag mit Unterstützung der PMU am nächsten Sonntag durchzuführen. Dafür müßte das DVR sich dahinter klemmen und dieses mit PMU verhandeln – wahrscheinlich das schwächste Glied in der Kette. Und Bremen muß am Montag Bescheid wissen  - und dann die Werbetrommel ganz laut schlagen! Hansestadt hilft Hansestadt – oder so…

Das Jahresprogramm des Rennsports in Deutschland so schon mehr als dünn. Jedes Rennen ist wichtig!!

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