Deutsches Derby 2016 – Auf den Spuren von Mah Jong

Mah Jong hält seit fast 90 Jahren einen eigentlich uneinholbaren Rekord im Deutschen Derby. Er ist mit 3:03 min der langsamste aller Derbysieger seit Beginn der Zeitmessung in Hamburg bzw. seit das Derby über 2400m gelaufen wird.

Es hat auch in der jüngeren Geschichte einige Schlammschlachten auf dem Horner Moor gegeben. 1980 war so ein Jahr. Navarino gewann auf tiefem Boden in 2:48,1 (offizielle Bodenangabe: tief) und damit in der langsamsten Zeit seit Endes des zweiten Weltkriegs. Robertico 1998 war auch ein Schlammkönig von Hamburg, genauso wie Zauberer 1978. Bernd Selle kann sehr lebendig von diesem Derby berichten.

Und dieses Jahr könnte es einen neuen Rekord für das langsamste Derby geben – vielleicht nicht nur für die langsamste Nachkriegszeit, sondern für die langsamste Zeit überhaut. Der Rekord von Mah Jong scheint erstmals in Gefahr zu geraten. Eine kühne Annahme, ein Schlechtreden? Keineswegs. Am Samstag sind die Stuten in einem Gruppe-3 Rennen über 2200m 2:43,6 gelaufen. Rechnet man diese Zeit auf 2400m hoch, muß man nochmal rund 15 Sekunden dazu rechnet und kommt auf eine rechnerische Zeit von rund 2:58. Das ist nur 5 Sekunden von Maj Jongs Rekord entfernt.

Bekommt Hamburg heute noch mal Regen ab – wie sieht dann der Boden morgen aus, wenn das Derby gestartet wird. Hoffentlich kann man die Startmaschine bewegen und muß nicht auf Bänderstart ausweichen. Auf jeden Fall wird es ein Derby der Spezialisten werden. Und leider – das muß auch gesagt werden – sind die Derbysieger auf schwerem Boden selten als große Rennpferde in die Geschichte eingegangen und als Deckhengst haben sie sich auch nicht sonderlich hervorgetan. Das gilt sowohl für die Derbysieger der jüngeren Vergangenheit als auch für die “Historischen”.

Wai Key Star
Mit drei Starts ist der Soldier Hollow-Sohn aus dem Stall Salzburg noch nicht oft am Ablauf gewesen. Sein Sieg im ehemaligen Albert v. Metzler Rennen, das dieses Jahr wegen der Frankfurter Querelen in Baden-Baden gelaufen wurde, sah sicher nicht schlecht aus – aber reicht bei den Bedingungen die Routine?

Boscaccio
Bei vier Starts ungeschlagen – das Pferd mit der weißen Weste. Bei strahlendem Sonnenschein hat er die Union gewonnen. Mit Christian Sprengel hat er einen Trainer, dessen zahlreiche Verwandte im Sport mehr Sieger trainiert haben dürften als die Verwandschaft aller anderen Derbytrainer in diesem Jahr  zusammen. Dennis Schiergen hat als Amateur in Berlin schon mal Gruppe 1-Luft geschnuppert und auch nach dem Wechsel ins Profi-Lager kann sich sein Rekord sehen lassen. Aber auf dem Favoriten oder Mitfavoriten im Derby zu sitzen, ist ein anderes Gefühl – und ein ganz anderer Druck. Nicht unbedingt der beste Jockey steuert den Sieger, sondern der mit den besten Nerven – und vielleicht gelingt Dennis das, was seinem Vater nicht gelungen ist – ein Derbysieg im Sattel.

El Loco
Er kommt zwar aus Röttgener Zucht, aber er repräsentiert die Waldfrieder Linie der Egina, aus der schon der Derbysieger von 1968 hervorgegangen ist. Und die Sippe kann allgemein weichen Boden, das paßt schon mal. Aber so richtig den Biß für Sieger hat El Loco nicht. Beim Debut gewonnen und danach immer brav auf den Ehrenplatz gelaufen. Und Röttgen teilt mit Schalke das Schicksal, daß die einen die Salatschüssel und die anderen den Derbypott zuletzt 1959 gewonnen haben – ob Röttgen den Fluch vor Schalke besiegt?

Dschingis Secret
Die zweiten Waffe von Röttgens Trainer Markus Klug und noch ein Sohn des “Soldaten” und  genau wie Wai Key Star aus Wiedinger Zucht. Seit 106 Tagen wartet er am Derbytag auf den nächsten Sieg. Nette Formen hat er im Tornister – aber den Marschallstab seh ich da nicht versteckt.

Isfahan
Der Winterfavorit gewann dieses Jahr das Bavarian Classic und war Fünfter im Derby Italiano. Seine Mutter brachte schon zwei Gruppe-Pferde vor ihm, aber Bodenspezialisten sehe ich da nicht. Darius Racing erinnert mich gerade an den großen Perserkönig, der bei Issos die große Keilerei gewann und die Griechen in den Knie zwang – aber die Form ist schon 2349 Jahre alt – nicht mehr ganz frisch.

Parthenius
Der kleine rechte Bruder von Pastorius, der 2012 keinen geringeren als Novellist in einer Kampfankunft in Hamburg auf den zweiten Platz verwies. Parthenius ist Sieger im Herzog von  Ratibor Rennen, dreijährig nur im Dr. Busch Memorial gelaufen und noch ein Soldier Hollow.  Den Derbysieg zweier Vollbrüder hat es noch nicht gegeben. Sollte Parthenius Geschichte schreiben?

Landofhopeandglory
Der nachgenannte Gast aus Irland aus dem mächtigen O’Brien -Quartier. Wetterbedingt liegt er mir inzwischen schwer im Magen. Ein Sproß der alten Waldrun-Familie, die schon drei Derby-Sieger gestellt hat und die zwar nicht spezialisiert auf schwere Bahn ist, den Boden aber ziemlich gut kann. Neun Starts hat der High Chaparral-Sohn schon im Bauch, aber außer beim Debut hat er noch nicht gewonnen. Er ist mehr in den zwei Meilen Rennen und nicht auf den klassischen 2400m gelaufen. Zuletzt war er Zweiter im Curragh Cup über rund 2800m. Die schienen ihm besser zu gefallen als die 3200m aus der Queens Vase.
Und Waldpark war damals auch ein eher unbeschriebenes Pferd, als er das Derby gewann.

Noble House
Landos letzter Jahrgang. Einen Sieg hat der Lando-Sohn im Rekord stehen – und Lando lief am Besten auf der Autobahn. Harte Piste, wie im Japan Cup 1995 und im Derby 1993, in dem er Monsun und Sternkönig niederrang. Meine beste Derbywette ever und einer der besten Jahrgänge im deutschen Turf überhaupt. Aber Autobahn ist in Horn heute nicht und ich glaub es einfach nicht.

Berghain
Einmal gewonnen – nett gelaufen in den angesagten Vorprüfungen. Aber zwingend sieht für mich anders aus.

Nimrod
Noch ein High Chaparral. Sechs Stars, ein Sieg, mit Dennis’ kleinem Bruder im Sattel. Wann hat eine Mutter schon mal zwei Jockeys im Derbyfeld? Wird auch noch nicht so oft vorgekommen sein. Nimrods Mutter war klassische Siegerin in den Oaks d’Italia. Aber die Klasse scheint er nicht zu haben. Nettes Pferd, aber nicht zwingend im Derby.

Savoir Vivre
Auch wenn er in den Farben des Stalles Ullmann läuft, ist er ein Schlenderhaner durch und durch. Adlerflug gewann nach langer Durststrecke für die alte Baronin Ullmann das Derby 2007 auf offiziell weicher Bahn – und die Zeit paßt auch dazu. Aber es waren damals vor der Sanierung des Geläufs in Hamburg auch nicht die besten Verhältnisse. Der Boden war aufgewühlt und man wollte Adlerflug zum Nichtstarter machen,. Aber die Baronin wollte laufen – und hatte recht! Die Mutterlinie ist das Beste vom Besten, was die deutsche Vollblutzucht hat: Die Schwarzgold-Familie und darüber zu berichten, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Ich glaube, daß Savoir Vivre den Boden kann – aber drei Lebensstarts sind nicht viel Routine. Trotzdem mag ich ihn und hoffe auf ihn. Und mit Frederick Tylicki hat er einen guten Jockey im Sattel – wie der Vater so der Sohn?

Our Last Summer
Der Gast aus Norwegen will den Deutschen an der Elbe das Fürchten lehren. Sommer hatten wir dieses Jahr noch nicht und der Sieg in den Norsk 2000 Guineas ist nicht wirklich eine Referenz für das Deutsche Derby. Ich glaube nicht dran.

Landin
Ein weiterer Starter aus dem großen Schiergen-Stall. Drei Starts, ein Sieg im Sieglosen. Das reicht wohl nicht.

Licinius
Aus Fährhofer Zucht in den Farben des Stalls Mandarin, trainiert von Yasmin Almenräder. Ein Sieg und im Bavarian Classic mitgelaufen … hmmm.

Bora Rock
Noch ein Schiergen-Pferd, aber sieglos – ein ziemlich unwahrscheinlicher Derby-Sieger

Larry
Schon teilweise in australischem Besitz und in Hoppegarten von Uwe Stech trainiert. Zwei Starts, zwei Siege in kleinen Rennen. Beim zweiten Start überlegen gewonnen. Sein Vater Literato hat zwar die Champion Stakes von Newmarket und noch andere gute Rennen gewonnen, aber als Deckhengst reißt er in Frankreich keine Bäume aus. Aber irgendwie ist das ein Dunkler, von dem man nicht weiß, ob da noch mehr im Tank ist.

Zanini
Der Deutsche mit 9 Starts und gleichauf mit Landofhopeandglory, aber sieglos. Die Besitzer haben wohl mal eine Derbynennung riskiert und wollen jetzt gerne mal dabei sein. Kann ich gut verstehen, aber es reicht einfach nicht.

Rosenhill
Der Tiger Hill Sohn ist Sieger in einer leichten Aufgabe in München. Mit Eva-Maria Zwingelstein hat er die einzige Frau in diesem Derby im Sattel. Mit Rosengeste hat er eine tolle Mutter, aber sein Vater ist damals selbst im Schlamm von Horn steckengeblieben. Er mochte den Boden einfach nicht – und sein Sohn wird es auch nicht können.

Buzzy
Aus dem Stall von Besitzertrainer Guido Förster hat sich mit einem Sieg in Hamburg vor Wochenfrist das Derbyticket geholt. Das Horner Moor kennt er schon und es scheint ihm zu gefallen. Aber auch hier ist eher der olympische Gedanke als eine echte Siegchance der Grund für einen Start.

Und das Resumée von der Geschicht? Das Derby ist wie Königsberger Klopse, da ist alles drin, hat Heinz Jentzsch einmal gesagt. Stimmt für dieses Jahr besonders, denn nicht allein die Klasse wird entscheiden, sondern auch die Fähigkeit, auf diesem Boden schnell laufen zu können.

Einen Sympathie-Fünfer bekommt Boscaccio, weil die Form stimmt und die Weste sauber ist und auch weil ich es dem Team und besonders Christian Sprengel wünsche. Und ein Studiker als Derby-Siegreiter wäre auch ein neues Kapitel im großen Buch des Turfs. Und Savoir Vivre bekommt auch einen Sympathie-Fünfer. Adlerflug – Tylicki und Schlenderhan. Ich fänd es klasse! Und El Loco, damit der Derby-Fluch für 4711 gebrochen wird. Aber ich fürchte, es gibt einen irren Sieger!

Aber egal, wer gewinnt. Das Wichtigste ist ein ordentliches Rennen ohne Zwischenfälle, und daß alle Kandidaten gesund nach Hause kommen.

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