Am Donnerstag hat das obere Renngericht entschieden, daß der Einlauf im Deutschen Derby 2016 vor dem Renngericht neu verhandelt werden muß. Es wurde folgende Pressemitteilung veröffentlicht:
Die Entscheidung des Renngerichts beruht zwar unter anderem auf einer jahrzehntelangen Handhabung der Nr. 623 Punkt 2 der Rennordnung und anderer Vorschriften. Nr. 623 Pkt. 2 der Rennordnung bestimmt wörtlich:
623. Ein Pferd ist zu disqualifizieren
… 2. bei einem Verstoß gegen die Vorschriften über die Durchführung der Rennen“
Diese bisherige Handhabung hält jedoch einer Nachprüfung nicht stand. An der eindeutigen Bestimmung der Nr. 623 Pkt. 2 der Rennordnung ist nicht vorbeizukommen. Deshalb ist beim Einsatz der Peitsche über die zulässige Richtzahl von fünf Schlägen (Nr. 482 RO in Verbindung mit Richtlinie Nr. 9 Ziffer 4) hinaus zu disqualifizieren. Dem Renngericht bleibt allerdings die Entscheidung, wie im Einzelnen diese Disqualifikation zu erfolgen hat (Nr. 626 der Rennordnung).
Soweit das kurze Presse-Statement
Um das Ergebnis vorweg zu nehmen. Das Urteil kann man aus vielen Gründen nur als Skandalurteil betrachten, dem dazu der Geruch der Befangenheit anhaftet.
Die Mitglieder des oberen Renngerichts waren die Herren Dr. Paul, Ellerbracke, Leisten, Neunzig, v. Mitzlaff. Wer profitiert von einer Disqualifikation des Siegers und des Zweitplazierten? Der vermeintliche Sieger Dschingis Secret wird in Röttgen trainiert, Soldier Hollow ist in Auenquelle aufgestellt. Mindestens zwei Mitglieder des Renngerichts hätten wegen eigener Interessen gar nicht am Tisch sitzen dürfen.
Weitere Besonderheiten dieser Verhandlung hat Lars-Wilhelm Baumgarten bei Facebook gepostet. Der Beklagten-Anwalt und der Sprecher der Rennleitung des HRC Frank Becker waren zur Verhandlung nicht zugelassen, wohl aber der Klägervertreter. Des Weiteren erfolgte die Verhandlung unter Ausschluß der Öffentlichkeit.
Seit wann erfolgen Verhandlungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit (Sonderfälle, die im Rennsport nicht zur Debatte stehen, einmal außen vor)? Wie kann es sein, daß der Beklagten-Vertreter zur Verhandlung nicht zugelassen ist? Auch wenn es ein wenig weit hergeholt sein könnte, erinnert es sehr an politische Prozesse, die es in Dtld seit 1989 eigentlich nicht mehr geben sollte.
Allein die Tatsache, daß der Beklagtenvertreter zur Verhandlung nicht zugelassen wurde, macht die Entscheidung anfechtbar! Jedes ordentliche Gericht würde sie sofort kassieren!
Die Argumentation in der Presseerklärung ist nicht nachvollziehbar. Es gibt in der RO dezidierte Regeln für das Verfahren bei einem Peitschenmißbrauch und wie der Jockey zu betrafen ist. Nach dem Derby wurden diese Strafen drastisch verschärft, was hier aber nicht zu berücksichtigen ist. In Ziffer 484 RO ist ausdrücklich vermerkt, daß eine Disqualifikation nur erfolgen darf, wenn eine Peitsche statt einer Reitklappe mitgeführt wurde. Das heißt auch im Umkehrschluß, daß in allen anderen Fällen des Peitschenmißbrauchs oder der falschen Führung der Peitsche KEINE Disqualifikation erfolgen darf!
Die angeführte Ziffer 623 Nr 2 RO ist eine sehr allgemeine Regelung, die aber nicht für die Fälle greifen kann, für die eigene Vorschriften erlassen wurden. In den folgenden Ausführungen, in denen die verschiedenen Protestgründe genannt werden, ist der Fall des Peitschenmißbrauchs nicht genannt. Wohl aber ist vorgeschrieben, daß der Protest vor Waageschluß erfolgen muß. Da der Besitzer des Drittplazierten keinen Protest eingelegt hat, kann er jetzt auch nicht eine Änderung des Richterspruchs fordern.
Wenn die Auffassung des Renngerichts also greifen sollte, hätte seit Verschärfung der Peitschenregel (oder schon vorher?) in jedem Fall des Peitschenmißbrauchs der Sieger oder die Plazierten disqualifiziert werden müssen. Dies ist jedoch bisher nicht der Fall gewesen und auch deswegen kann Ziffer 623 RO hier nicht in dieser vom ORG angedachten Form verstanden und angewendet werden.
Es scheint ein Verfahren zu sein, bei dem man dicke Eichenbalken der gewachsenen Rechtsprechung des Rennsports wie Gummistäbe biegen will, um ein für bestimmte Leute passendes Ergebnis zu erzielen.
Sollte es zu einem Urteil kommen, in dem der Sieger wegen Peitschenmißbrauchs disqualifiziert wird, wäre das ein Unikum in der Welt der großen Rennsportländer und es muß dann die Frage gestellt werden, ob man die Leitung des Rennsports dann nicht besser dem Festkommitee des Kölner Karnevals überträgt, denn mit Leistungsprüfungen haben die Veranstaltungen dann nur noch wenig gemein.
Der Schaden für das ohnehin ramponierte Image des Rennsports in der Öffentlichkeit ist schon heute hoch.
Die Kritik in den sozialen Medien ist hoch, nachfolgend ein paar Beispiele:
“Wirklich unglaublich!”
“Soetwas nennt man Befangenheit. UNGLAUBLICH, dass die Besetzung des Gerichts so überhaupt aufgestellt wurde, meiner Meinung nach noch unglaublicher, dass jemand, der sich dem “Geruch” einer Befangenheit ausgesetzt sieht, sich überhaupt aufstellen lässt.”
“Skandal, diese Herren machen den ganzen Sport kaputt”
“Da fällt einem nur ein einziges Wort ein : SKANDAL. Auch eine Möglichkeit den Rennsport in der Außenwirkung der völligen Lächerlichkeit preiszugeben. Man kann nur hoffen, das diese Herrschaften nicht auch noch über die Verteilung der Mittel und damit die Zukunft des Rennsports entscheiden. Wie heißt doch eine alte Binsenweisheut: GELD VERDIRBT DEN CHARAKTER”
“Die Totengräber des Rennsports an einem Tisch , Glückwunsch !!”
“Das oberste Renngericht hat angeblich in der folgenden Besetzung , Dr Paul, Ellerbracke und Leisten entschieden. Dr. Paul, Herr Ellerbracke ??? SoldierHollow steht in Auenquelle, der Betroffene Besitzer hat wo die Pferde im Training stehen? Der ganze Protest ist an Unsportlichkeit kaum zu übertreffen , aber jetzt wird es peinlich für den Rennsport.”
“Es gibt eine schönes Lied das heißt. Wer hat mein Lied so zerstört. Jetzt kann man nur noch sagen. Wer hat meinen Sport so zerstört. Unglaublich dieser deutscher Rennsport”
“Das ist das allerletzte, eine solche Besetzung, die doch in keiner Weise unabhängig ist entscheidet? Gehts noch? Kennt denn keiner die Verbindungen”
“Lass mich selten zu kommentaren hinreissen. Aber was heute hier entschieden wurde ist fuer unseren sport grauenhaft. Da kaempft man mit eigenen mitteln fuer die erhaltung von rennbahn und sport und dann entscheidet die debilitaet von diesen herren und stellt alle entscheidungen des renngerichts in frage? Ich werde die konsequenz daraus ziehen.”
“Antwort dazu: Ja Herr [...] nur bitte die richtige Konsequenz! Es muß endlich eine Wachablösung herbeigeführt werden und dabei müssen endlich alle an einem Strang ziehen. Die Verantwortlichkeiten müssen neu verteilt werden, dabei müssen verschiedene Fraktionen berücksichtigt und die alten Seilschaften nachhaltig geschwächt werden. Solange jeder im Sinne seiner Eigeninteressen sein Fähnlein nach dem Winde hängt, wird sich nichts verändern.”
“Ich dachte das gibt’s nur in Italien”
Und das beste Zitat zum Schluß: “Die Maxime einer mittlerweile verstorbenen Grand Dame des deutschen Rennsports lautete: ‘Wir gewinnen etweder auf dem grünen Rasen oder gar nicht’. Das mag verstaubt sein, aber hat was. Diese Prozesse mit allem Drum und Dran machen mehr Schade, als unserem Sport gut tut.Soviel Engagement würde ich mir bei der Entwicklung neuer Wege, Visionen für die Zukunft wünschen.”