Das Rennjahr ist vorbei und die Champions stehen fest.
Die Farbe des Jahres war türkis – mit altgoldenen Ärmeln und roter Kappe. Erstmals seit 1980 gewinnt das Gestüt Röttgen sowohl das Besitzer-Championat als auch das Züchterchampionat. Erstmals seit 1980 steht das Traditionsgestüt wieder ganz oben!
Auf den Plätzen im Besitzerchampionat folgen der Stall Ullmann und das Gestüt Haus Zoppenbroich vor dem Gestüt Ittlingen, bei den Züchtern sind es das Gestüt Fährhof und das Gestüt Auenquelle.
Der Owner-Breeder hat in Deutschland eine große Tradition und früher korrelierten deswegen auch die Plazierungen in den beiden Championaten mit wenigen Ausnahmen 1 zu 1. Sieht man von der Sondersituation beim Gestüt Schlenderhan/Stall Ullmann einmal ab, ist Röttgen von den großen Traditionsgestüten einer der letzten echten Owner-Breeder, den wir in Deutschland noch haben, was sich im Doppelchampionat ausdrückt. Ittlingen und Ammerland muß man dann noch dazu rechnen und, wenn auch eine Nummer kleiner, das Gestüt Hachtsee, Haus Zoppenbroich oder Etzean. und noch einige mehr. Ganz ist der Owner -Breeder in Deutschland noch nicht ausgestorben, aber es sind weniger geworden und einige ehemals große Gestütsrennställe haben nur noch wenige Pferde und dann vornehmlich Stuten in eigenen Farben laufen.
Und das erfolgreichste Pferd der Saison kommt auch aus Heumar. Windstoß brach den Bann für die 4711-Farben und gewann seit 1959 erstmals wieder das Derby. Damals siegte Uomo in der vierten oder fünften Farbe und der gemeinte Waldcanter wurde Zweiter. Uomo war damals das glücklichste Pferd in Hamburg – aber mit Sicherheit nicht das Beste. Nach dem Derby war sein größter Erfolg der Sieg im Alten Badener Jagdrennen. Seitdem war Hamburg kein gutes Pflaster für die Röttgener Farben mehr. 1960 brach Wicht in Führung liegend aus und seitdem blieb es bei guten Plazierungen. Lord Udo belegte 1974 den Ehrenplatz zu Marduk und war nur um einen kurzen Kopf geschlagen.
Sternkönig, Dickens, Antek liefen danach noch in die Plazierung und wenn Sternkönig noch ein richtiges Klassepferd aus dem legendären Jahrgang 1990 war, waren Dickens und Antek zwar gute Pferde, aber keine wirklichen Stars. Wauthi könnte man noch als Klassepferd bezeichnen, aber der hatte das Pech, gegen Königsstuhl und Nebos antreten zu müssen. Im Derby ritt ihn Joe Mercer, wenn ich mich recht erinnere und im Einlauf-Bogen machte Wauthi mächtig Boden gut. Der Jockey meinte danach, wenn er gewußt hätte, daß der Hengst so einen Antritt hat, hätte er ihn anders geritten. Hätte, hätte Fahrradkette… Und ohne den Röttgenern weh tun zu wollen, es war gut, daß nicht Wauthi sondern Königsstuhl das Derby 1979 gewonnen hat!
Winstoß stamm aus der Familie der Winnica, die in den 20ern nach Deutschland importiert wurde und die 13. Mutter von Windstoß ist die großartige und ungeschlagene Kincsem, Ungarns Wunderstute. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.
Wie gut Windstoß ist, wird er hoffentlich 2018 zeigen. Nehmerqualitäten hat er schon früh im Jahr bewiesen. Nach einem Sturz in Hannover lief er eine Woche später in der Union und wurde Zweiter. Das muß ein Dreijähriger erst mal wegstecken. Nach dem Derby war er im Großen Preis von Baden nicht so glücklich und wurde Vierter. Zum Ende der Saison gewann er noch den Preis on Europa und bestätigte damit seinen Derbysieg. Man hat es ihm nach dem Derby wohl bewußt leicht gemacht und auf Auslandstarts verzichtet.
Auf den Plätzen bei den Pferden folgten Lacazar, die Siegerin im Preis der Diana in Düsseldorf und Guignol aus dem Stall Ullmann.
Die Saison 2018 wird zeigen, ob Windstoß auch international zur ersten Garnitur gehört und die 4711-Farben international wieder präsent sind.
Und damit die Sache schön rund wird, kommt auch der Trainer-Champion aus Köln-Heumar. Markus Klug hat eine bemerkenswerte Karriere hingelegt, der frühere Besitzertrainer hat die Chance, die ihm in Röttgen geboten wurde, perfekt genutzt. Gleich im ersten Jahr als Public-Trainer trainierte er für Görlsdorf den Derbysieger und holte das erste Trainer-Championat. Im vierten Jahr als Public-Trainer ist es sein drittes Championat. Auf den Plätzen folgen mit Peter Schiergen und Andreas Wöhler zwei hocherfolgreiche Trainer, die dazu noch große internationale Reputation besitzen.
Interessant wird es etwas weiter unten in der Tabelle. Da steht mit Andreas Suborics ebenfalls ein Newcomer im Trainerberuf auf Platz 18. Die Plazierung täuscht ein wenig, denn mit einer Gewinnsumme von über 400.000 EUR im Inland haben seine Pferde weit mehr verdient, als mancher Trainer, der durch die Wertung nach Siegen vor ihm in der Statistik steht. Im Ausland ist vor allem die Plazierung von A Raving Beauty im Premio Lydia Tesio (Gruppe 1) in Rom zu erwähnen. Rom ist nicht Paris oder Newmarket, aber eine Auslandsplazierung in einem Gruppe-1-Rennen haben eher wenige Trainer im ersten Trainerjahr vorzuweisen.
Das Championat der Besitzertrainer wurde von Lucien an der Meulen nach Holland entführt. 18 Sieger sattelte er in Deutschland. Zweiter wurde Christian Peterschmitt mit 13 Siegern vor Olga Laznovska mit 12 Siegern. Dahinter stehen bekannte Namen wie Anna Schleusner-Fruhriep aus Mecklenburg, Horst Rudolph, das Urgestein aus dem Südwesten, Ferdinand Leve und Daniel Paulick.
Daniel Paulick hat “nur” sieben Sieger gesattelt, aber mit Ostana gewann er in Hannover zweimal Black Type. Im großen Preis der BMW-Niederlassung (LR) verwies er die in Godolphin-Farben laufende Agathonia auf den Ehrenplatz und vier Wochen später wiederholte sich das Spiel im “Großer Preis der Mehl-Mülhens-Stiftung Gestüt Röttgen” diesmal in einer Gruppe 3-Prüfung. Ostana erneut vor Agathonia. David schlägt Goliath und das gleich zweimal hintereinander. Das sind die kleinen Sternstunden für einen Besitzertrainer. Und es ist auch der einzige Gruppe-Sieg, den ein Besitzertrainern 2017 im Rekord stehen hat.
Bei den Nachwuchsreitern wurde Robin Weber mit 22 Siegern Champion vor Ali Alshowaikh mit 20 Siegern und Tommaso Scardino mit 18 Siegern, Interessant, daß die ersten drei in der Nachwuchsstatistik Männer sind und erst auf dem vierten Platz eine Reiterin kommt. Es fehlt im deutschen Rennsport ein wenig an gutem männlichem Nachwuchs. Wenn die ersten Drei das Gewicht halten können und auch sonst alles glatt läuft, wird das Nachwuchsproblem vielleicht ein wenig kleiner.
Bei den Amateuren siegte Vinzenz Schiergen mit 12 Siegern vor Mark Gier und Kevin Woodburn mit jeweils sieben Siegern. Beide haben einen deutlich besseren Schnitt als der Champion, aber auch deutlich weniger Geld. “Woody” reitet in einem Alter, in dem andere Sportler noch in der Rentner-Band spielen oder auf dem Golfplatz die Kräfte messen, in einer bemerkenswerten Form. Und daß ein Amateur bei der Wahl zum Ritt des Monats nicht nur nominiert wird, sondern auch noch auf den zweiten Platz gewählt wird, kommt selten vor. Natürlich muß man es bei Woody etwas anders sehen, denn in jungen Jahren gehörte er zu den besten Profis, die in Deutschland in den Sattel gestiegen sind und zwei Derbysiege mit Mondrian und All my Dreams sagen mehr als 1000 Worte. Mark Gier gehört seit Jahren zur sehr dünnen Spitzegruppe der männlichen Amateure. Ein Championat wäre ihm sehr zu gönnen!
Bei den Amateur-Reiterinnen gewann Lilli Marie Engels mit 20 Siegern vor Olga Laznovska mit 12 Siegern und Lena Maria Mattes mit 10 Siegern. Larissa Biess, die Deutschland beim internationalen Fegentri-Championat vertreten hat und Fünfte wurde, kam bei der nationalen Wertung mit vier Siegern auf Platz 8 .
Bei den Deckhengsten siegte Areion vor Adlerflug und Soldier Hollow. Areion hat nicht nur das meiste Geld gewonnen, sondern auch die meisten Pferde auf der Bahn. 105 Starter waren in der abgelaufenen Saison mit 636 Starts, 59 Siegern und 87 Siegen, was am Ende rund 1,15 Mio Euro Gewinnsumme ausmacht. Leider fehlen ihm herausragende Pferde, aber für einen Sprinter ist das in Deutschland auch nicht einfach darzustellen.
Bei den Stutenvätern wird die Statistik von zwei Hengsten des legendären Jahrgangs 1990 angeführt. Monsun vor Sternkönig, einerseits faszinierend, wie stark dieser Jahrgang nicht nur auf der Rennbahn war sondern auch der Zucht seinen Stempel aufgedrückt hat, aber andererseits auch ein Zeichen dafür, daß es mit guten Mutterstutenvererben nicht so weit her ist. Natürlich dauert es einige Zeit, bis ein Hengst Mutterstutenvererber wird, denn es ist die zweite Generation, die dort die Daten liefert, aber erst Areion an fünfter Stelle ist der erste noch aktive Hengst.
Und schließlich die Jockeys. Nachdem am Ende des vorletzten Renntags Flilip Minarik und Alexander Pietsch jeweils 68 Sieger geritten hatten, beschlossen die Champions, sich für den letzten Renntag der Saison krank zu melden und das Championat zu teilen.
Einerseits ist es aus Sicht der Aktiven verständlich und wenn man die äußeren Bedingungen sieht, muß man in dieser Jahreszeit nicht unbedingt in den Sattel steigen, wenn man es nicht muß. Sportlich und vor allem gegenüber dem Dortmunder Rennverein war es ein klares Foulspiel und kein Fair Play. Der Championatskampf hätte dem Dortmunder Renntag noch einmal eine ganz andere Würze verliehen , als es so der Fall war.
Allerdings bin ich mir nicht ganz im Klaren, ob dieses Spiel des geteilten Championats überhaupt aufgeht. Gilt nicht die Regel, daß bei gleicher Siegzahl der bessere Schnitt zählt oder derjenige Champion wird, der mehr zweite Plätze erritten hat? Ich weiß es nicht, das Direktorium führt jedenfalls Filip Minarik als alleinigen Champion, weil er sowohl den besseren Schnitt als ach mehr zweite Plätze als auch mehr Geld erritten hat. Gut wäre es, wenn die Krankmeldung nicht zum gewünschten Ergebnis führt – und für die Zukunft sollte dazu eine verbindliche Regelung erstellt werden (wenn sie nicht schon existiert), damit solche Krankmeldungen nicht mehr zum Doppelchampionat führen. Wenn die beiden Kranken am ersten Renntag wieder reiten wollen, sollte man sie erst mal zum Amtsarzt schicken, damit auch wirklich bescheinigt wird, daß sie wieder gesund sind – und so ein Termin beim Amtsarzt kann schon mal etwas dauern ….. Aber es darf ja nun nicht sein, daß Reiter in den Sattel steigen, die nicht 100% gesund sind!
Daniele Porcu wurde mit 50 Siegen und einer Gewinnsumme von knapp 680.000 Vierter im Championat. Mit Iquitos gewann er in München den Großen Dallmayr-Preis und verwies Best Solution aus dem Godolphin-Imperium und Potemkin von Klaus Allofs auf die Plätze. Iquitos war auch sein letzter Ritt im Japan-Cup. Danach bekam er die Diagnose Krebs, Leukämie, wenn ich richtig informiert bin. Er ging nach Italien, um sich behandeln zu lassen, aber es sollte nicht gelingen. Am 4. Januar schloß er für immer die Augen, am Montag wurde unter großer Anteilnahme der Turfwelt in Mailand die Totenmesse für ihn gelesen und danach wurde er in Rom im Familiengrab beigesetzt. Ein sympathische Mensch, ein ehrlicher Reiter, der immer nach Hause ritt, ohne den Pferden das Letzte abzuverlangen wird nicht mehr reiten. Sechs Wochen nach dem letzten Ritt hat er den Kampf gegen den Krebs verloren. Das Leben ist manchmal ein verdammt unfairer Sport! 12 Gruppe-Sieger stehen in seinem Rekord, davon zweimal Gruppe-1, mit Estejo 2008 im Premio Roma und mit Iquitos im Dallmayr-Preis. Faszinierend sein Ritt auf Wonnemond in der Topkapi Trophy 2017 in Istanbul, wie er mit wenig Einsatz Wonnemond zum Fliegen animiert hat. – Gott behüte mich davor in einen Himmel zu kommen, in welchem es keine Pferde gibt. (R.B. Cunningham-Graham)
Hindernisrennen gab es auch einige wenige in Deutschland. Einst ein faszinierender Sport, der bei den Offiziellen kaum noch Unterstützung findet und nur noch am Rande wahrgenommen wird. Die großen Bahnen haben den Sport zwischen den Flaggen fast vollständig aufgegeben und er wird auch nicht mehr wirklich als Leistungssport wahrgenommen, sondern eher Unterhaltung zwischen den Rennen. Leider!
Besitzer, die dem Sport zwischen den Flaggen noch nicht ganz den Rücken gekehrt haben, geben ihre Pferde ins Ausland in Training oder lassen im Ausland laufen. Die Verdienstmöglichkeiten in Deutschland sind einfach nicht mehr gegeben. In allen Bereichen des Hindernissports haben die Aktiven im Ausland mit wenigen Starts mehr Geld verdient, als im Inland.
Erfolgreichstes Pferd über Sprünge wurde Interior Minister aus dem Stall des Hamburger Präsidenten Eugen Andreas Wahler und trainiert von Johann Christian Baron von der Recke, vor Wutzelmann im Besitz von Volker Schleußner. Wutzelmann ist nahe Verwandtschaft von Wutzeline, die in Frankreich eine sehr erfolgreiche Steeplerin war und den Beinamen “Königin von Cagnes” trug. Ob Wutzelmann ein ähnliches Potential hat, kann Deutschland leider nicht beweisen.
Das Championat der Besitzer sicherte sich Eugen Andreas Wahler vor Volker Schleußner, bei den Trainern siegte Baron v. D. Recke vor Pavel Vovcenko, dessen Crack Kazzio, 2015 noch Sieger im Gran Premio Merano, auch langsam das Alter spürt.
Bei den Besitzertrainern siegte Frau Anna Schleusner-Fruhriep vor Eva Maria Herresthal. Cornelia Schmock, für die Supervisor viele Jahre eine Bank war, hatte dieses Jahre noch zwei vierte Plätze.
Bei den Reitern siegte Sonja Daroszewski vor Cevin Chan und Paul Andrew Johnson. Das erste mal in der Geschichte des (bundes)-deutschen Hindernis-Sports, daß eine Frau das Championat der Reiter erringen konnte.
Außer bei den Reitern und Trainern ist das Hindernis-Chamipnat ein Ein-Pferde-Championat. Amateurrennreiter, die früher die Stütze des Hindernissports in Deutschland waren, haben in dieser Saison keinen Euro über die Sprünge gewonnen.
Daß man gleichwohl in Deutschland vorzügliche Hindernispferde züchten kann, beweist nicht nur das Gestüt Etzean immer wieder. Don Cossack, der erste Sieger im Cheltenham Goldcup ist im Odenwald aufgewachsen.
Herzlichen Glückwunsch allen Champions – und ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr!
Estejo Premio Roma 2008
Wonnemond Topkapi Trophy 2017
Iquitos Bayerisches Zuchtrennen – großer Dallmayr-Preis 2017
Windstoß Deutsches Derby 2017