
Novellist geht nach Japan. Auch ohne daß es die Spatzen von den Dächern pfiffen, war so etwas zu erwarten. Man hätte noch hoffen können, daß er in Europa bleibt, aber wenn man sieht, was die Japaner in Dtld in der jüngsten Zeit gekauft haben, dann war es eigentlich irgendwie logisch, daß man dort auch großes Interesse an einem deutschen Spitzenhengst hat.
Es gab nach der Streichung im Arc schon wilde Gerüchte und Verschwörungstheorien, die teilweise nicht mehr nur peinlich waren. Andreas Wöhler ist für mich nicht nur einer der besten Trainer in Deutschland, sondern auch einer der sehr seriösen seines Fachs. Hier zu unterstellen, daß er, um den Wert des Pferdes nicht zu mindern, das Fieber vorgeschoben hat, um eine Niederlage im Arc zu verhindern, ist prinzipiell und in Form, in der dies teilweise kommuniziert wurde, eine Frechheit!
Ob er Treve geschlagen hätte, ob er Orfevre geschlagen hätte, ist alles Hypothese und kann nie bewiesen werden. Fakt ist aber, daß in den letzten drei Jahren, die beiden wichtigsten Altersvergleiche in Europa über die klassischen 2400m (die King George und der Arc) dreimal von einem deutschen Pferd gewonnen wurden. Eine Quote von 50% für die Kleinste der großen Zuchten in Europa ist einfach phenomänal. In beiden Rennen halten deutsche Pferde den Bahnrekord, Danedream in Longchamp und Novellist in Ascot.
Zweimal wurden deutsche Pferde am Start gehindert, Danedream durch ansteckende Blutarmut und Novellist durch Fieber.
Während die deutsche Zucht immer noch top ist, ist es um den Rennsport in Deutschland eher sehr mau bestellt. Aber eine Zucht kann nicht funktionieren, wenn keine adäquate rennsportliche Basis im Heimatland gegeben ist, in der die Pferde laufen können. Es kann nicht Sinn einer Vollblutzucht sein, daß man ins Nachbarland fahren muß, um die Pferde laufen zu lassen.
Novellist als Monsun-Sohn hätte es in Deutschland sehr schwer. In Schlenderhan hat man vor einigen Jahren festegestellt, daß man keinen Monsun-Sohn aufstellen kann, weil er eine Stutenherde vorfindet, in der Monsun überproportional präsent ist. Das gilt nicht nur für Schlenderhan, das gilt auch für andere große Gestüte in Deutschland.
Kritiker mögen einwenden, daß man in Fährhof in früheren Zeiten auch Surumu und Acatenango aufgestellt hat. Aber damals war der Stutenbestand in Deutschland größer, als es heute der Fall ist und damals war ein Hengst mit ca. 50 Stuten ausgebucht. Und damals hatte man auch nicht die Option, Hengste einfach ins Ausland zu verkaufen, auch wenn für Acatenango sehr gute Angebote vorgelegen haben sollen. Ich glaube, daß der wirtschaftliche Gewinn durch Acatenango als Stallion auf dem Fährhof für Fährhof größer war, als ein Verkauf aus dem Rennstall ins Ausland. Vom züchterischen Wert einmal ganz zu schweigen.
Aber genau diese Option hätte Novellist heute kaum noch. Deutschland hat sich bei den Rennpreisen vom internationalen Geschehen abgekoppelt. In den großen Rennen kommen kaum noch Ausländer, nicht nur weil die deutschen Pferde sehr gut sind, sondern weil die Dotierung kaum noch lohnt. In Frankreich ist Gruppe III besser dotiert, als Gruppe II in Deutschland und von der Differenz bei den großen Rennen wollen wir gar nicht reden. 1975, als Star Appeal den ersten Arc für Deutschland holte, betrug die Dotierung des Preis von Europa 57% des Arc, heute sind es noch 3,2%. Natürlich hat der Arc eine Preisentwicklung gemacht, die auch für Frankreich nicht repräsentativ ist. Aber in den anderen Rennen sieht es nicht viel anders aus. In Frankreich ist ein Sieglosen-Rennen für Dreijährige besser dotiert, als ein Listenrennen in Deutschland und man könnte die Vergleiche beliebig fortsetzen.
Jetzt soll ein Hengst, der zu den besten in Europa zählen könnte, in diesem wirtschaftlichen Umfeld eine erfolgreiche Karriere starten. Würde man eine Decktaxe von irgendwo 20.000,- bis 40.000,- EUR annehmen, müßte diese Decktaxe in einem Land verdient werden, in dem der dreijähige Sieger zwischen 3.000,- und 5.000,- EUR verdienen kann. Und hinzu kommt, daß ein Großteil der deutschen Stuten für ihn nicht infrage kommt, weil sie enge Verwandte sind.
Darauf hoffen, daß die Ausländer ihre guten Stuten schicken, ist sicherlich nicht unberechtigt, aber darauf allein darf man nicht bauen. Es muß einen guten Heimatmarkt geben, in dem der Hengst seine Klasse beweisen kann und sich für den internationalen Markt attraktiv macht. Von Manduro hat man sich in England auch mehr versprochen, ebenso von Shirocco. Es mag ja sein, daß das englische System, das viel Wert auf frühe Pferde legt, den deutschen Hengsten nicht entgegen kommt, aber dann werden sie auch nicht viele Stuten zu Novellist nach Deutschland schicken.
In Japan ist Sunday Silence der absolut dominierende Stallion – vom Gefühl noch dominierender, als es Northern Dancer bzw. Sadler’s Wells in Europa ist. Japan braucht deswegen dringend einen Hengst und vor allem Stuten, die auf einer ganz anderen Blutbasis gezogen sind, als das bei der heimischen Zucht derzeit der Fall ist. Ob Novellist unbedingt der passende Outcross ist, könnte man trefflich diskutieren. Es ist aber auch ein Ausdruck einer gewissen Hochachtung für die deutsche Vollblutzucht, daß man einen deutschen Stallion und keinen Engländer oder Amerikaner eingekauft hat.
Japan ist ein Land, in dem die Steherzucht hoch gehalten wird, 2400m sind das Maß aller Dinge und nicht 1600m oder 2000m, der Tenno-Sho (Kaiserpreis) im Frühjahr geht über weite 3000m, die 2000 Guineas gehen über 2000m etc.. Kann es ein Hengst aus einer Stamina-Linie besser antreffen, als eben in Japan?
Und wo bleibt der Idealismus? Wer Rennsport und Vollblutzucht betreibt, lebt fast täglich den Idealismus. Der hoffnungsvolle Zweijährige, der sich im Training verletzt und dessen Rennkarriere endet, bevor sie begonnen hat, die Top-Stute, gedeckt von einem Top-Stallion die verfohlt oder wo das Fohlen nach wenigen Wochen eingeht etc.. Die Liste der Rückschläge, die man mit Pferden erlebt, ist lang und es sind meistens die Guten, die sie verursachen. Und es kostet auch ohne Rückschläge viel Geld und jetzt hat man eine vielleicht einmalige Chance, einmal richtig Kasse zu machen. Wer kann das verdenken, wer würde anders handeln, wenn es das eigene Portemonnaie betrifft und nicht das eines anderen. Es sind schon Schwiegermütter und hübsche Bräute für viel weniger Geld verkauft worden, um einmal Kasse zu machen!
Aber der Export nach Japan läßt doch auch Platz zum träumen. In fünf Jahren wird Rêve Novel von Novellist aus der Danedream als Sieger in Longchamp im Prix de l’Arc de Triomphe als Sieger aufgezogen!
Wie sagte der englische Rennkommentator nach dem Sieg von Novellist in den “King George” sehr treffend: German breeding ist absolutly top but horse racing in Germany is a desaster. Und solange der Rennsport in Deutschland nicht wieder auf dem allgemeinen europäischen Niveau angekommen ist, kann man von einem Novellist als Stallion in Deutschland träumen, aber es wird ein Traum bleiben, der sich nicht erfüllt!