Galopprennen und Marketing

Ein “Matchrace” steht an, zwar nicht wie damals zwischen War Admiral und Seabiscuit, sondern eins zwischen zwei Pferden, die irgendwo um die 70 kg GAG haben. Die Fachwelt diskutiert um den Wert dieses Rennens, die Medien berichten darüber und die Fachwelt wundert sich.

Ein kleiner Ausflug in eine etwas ältere Geschichte aus der Welt des Marketings. Als Microsoft noch eine kleine Firma war, aber mit DOS schon Geld verdient hatte, kaufte man sich einen Marketingmanager ein, der zuvor seine Brötchen in der Kosmetik-Welt verdient hat. Er erklärte  Bill Gates und den anderen Microsofties die Welt des Marketings am Beispiel einer Handcreme. Was ist der Unterschied zwischen Vaseline und einer hochwertigen Handcreme? Nicht viel, wußte der Marketing-Experte zu berichten, außer ein paar Duftstoffen, die auch die Konsistenz verändern, ist in einer hochwertigen Creme nicht viel mehr drin als eben Vaseline. Der Unterschied ist die Verpackung und das Marketing. Wie mache ich aus einem einfachen Produkt einen begehrenswerten Artikel, den jeder kaufen will?

Im Hause Microsoft hatte man damals mit der Entwicklung von Windows angefangen. Version 1.0 hielt man für marktreif. Was auch immer das bei Microsoft in Bezug auf Qualität und Funktionsfähigkeit des Produkts heißen mag, soll jetzt mal außen vor bleiben. Für die Programmierer hieß das Produkt Interface-Manager, was sie als sachlich richtige Bezeichnung der neuen Software sahen. Vom Namen müsse man ja schließlich auch auf die Funktionen des Produkts schließen können.

Es muß den Marketing-Mann einige Mühen gekostet haben, aus dem sperrigen und für die Allgemeinheit unverständlichen Namen “Interface Manager” den leicht zu verstehenden Begriff “Windows” zu machen. Man klickt auf ein Symbol und in einem neuen Fenster geht ein neues Programm auf.  Eigentlich ganz logisch, aber nicht für Software-Entwickler, denn die sahen erst mal den Schnittstellen-Manager im Vordergrund. Was Schnittstellen sind, soll jetzt auch mal egal sein.

Der Rest der Windowsgeschichte dürfte allgemein bekannt sein und wer sie nicht kennt, kann sie im Internet nachlesen.  Es kann wohl als ziemlich sicher gelten, daß ein Interface-Manager es niemals zu der Popularität des sprachlich wohlklingenderem und eingängigen Windows geschafft hätte.

Was hat das mit dem Matchrace zu Hoppegarten im speziellem und dem Galopprennsport im Allgemeinen zu tun? Der Galoppsport ist für Außenstehende nicht direkt zu verstehen. Ausgleichsrennen, Altersgewichtsrennen, Gruppe-Rennen, Steher, Flieger, Meiler, Handicapper, Erlaubnisreiter und was da sonst noch alles für Fachbegriffe durch die Welt fliegen. Alles richtig, versteht aber kaum einer, der nicht regelmäßig dabei ist.
Aber Matchrace, das versteht fast jeder, auch wenn man der englischen Sprache sonst nicht so mächtig ist.

Die Komplexität des Galoppsorts hat einen guten Grund und ist historisch gewachsen und man kann und darf sie natürlich nicht abschaffen, weil es aus Marketingsicht vielleicht einfacher wäre.

Aber man soll eben den Ball aufnehmen, wenn er von zwei “positiv” Verrückten wie  Guido Hermann Schmitt und Christian Sundermann ins rollen gebracht wird. Es ist kontraproduktiv, wenn man so ein “Event” ignoriert, weil der sportliche Wert fehlt. Auch jeder Leistungssport braucht hin und wieder mal Gaudi, damit er interessant ist und darüber berichtet.

Gamgoom (Schmitt) und Ach was (Sundermann) laufen über 1200m auf der Hoppegartener Geraden Bahn gegeneinander. 7.000 EUR bekommt der Sieger, der das Geld an die Jockeyschule stiften muß. Es geht also um Ruhm und Ehre in diesem Rennen. Und es geht um ein Wettrennen, bei dem vielleicht ein paar mehr mitfiebern, die noch nicht auf der Rennbahn waren. “Meiner ist schneller als Deiner, Wetten?” ist schließlich einer der Wurzeln des Galopprennsports.

Ob man nun die Schlagzeile der Bild-Zeitung für gut hält oder nicht, ist auch nicht so wichtig. Es steht ein recht ausführlicher Artikel in einer auflagenstarken Zeitung über das Rennen – natürlich mit den bild-typischen Fehlern und Übertreibungen, aber das ist eben so bei der Bild-Zeitung. Das ist nicht nur bei Pferderennen so, das ist bei denen immer so. Die Schlagzeile ist alles, der Artikel nur schmückendes Beiwerk Wenn die Bild-Zeitung das Interesse für den Sport entdeckt hat und der Bild-Leser mehr über Pferderennen und Toto-Wetten wissen will, dann wird auch mal ein Redakteur zur Fortbildung geschickt. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Matchrace ist wie Windows, Altersgewichtsrennen ist das Pendant zum Interface-Manager.

Wenn man dann die Leute auf die Bahn gelockt hat und es Ihnen gefallen hat, werden sie sich auch mit der Zeit mit den Begrifflichkeiten des Rennsports vertraut machen Nicht heute und nicht morgen, aber demnächst und irgendwann muß man ja mal anfangen.

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4 Antworten auf Galopprennen und Marketing

  1. F. J. Richter sagt:

    Dank dem Initiator Schmitt und vor allem dem Nicht-Spiel-Verderber Sundermann im ungleichen Spiel!

    So einfach ist es im deutschen Galopprennsport Aufmerksamkeit, Sensation, gar Innovation zu schaffen. Aber ob das schon „Marketing“ ist? So naiv sollte Niemand sein. Oder liegt die momentane Aufmerksamkeit nur am medialen Sommerloch an einem rennsportlich belanglosen Wochenende zwischen den Meetings in Hamburg und Iffezheim? Indes, das notorische Problem der kleinen Startfelder existiert plötzlich nicht mehr im deutschen Galopprennsport – es wird sogar genial ins Gegenteil gewandelt! Sogar Herr Ostermann wird glücklich sein: Seine Ankündigung vom vergangenen Herbst, den komplizierten, für Neueinsteiger so unverständlichen Sport einfacher machen zu wollen, wird eindrücklich erfüllt – und dafür braucht es nicht einmal langer und kontroverser Diskussionen in den sport-internen Gremien und Arbeitsgruppen.

    Blicken wir etwas in die Zukunft, denn keine Idee ist so gut, dass es nicht noch eine etwas bessere geben könnte :

    Sollte es Wiederholungen oder Nachahmungen dieses „historischen Ereignisses“ geben und damit u. a. auch an die Ursprünge des Galopprennsports erinnert werden, dann bitte nach einem fairen Regelwerk, z. B.:

    - Der Herausforderer sagt an, wie viel Gewicht sein Pferd dem Pferd des herausgeforderten Kontrahenten geben wird (unterstellt, dass man sich über die zu laufende Distanz einig ist). Und sollte man das Publikum stärker einbinden wollen – dann sollte diese Schwarmintelligenz über die zu tragenden Gewichte abstimmen. Das dürfte heute über Internet kein Problem mehr machen. Nicht vergessen: Das legendäre Match zwischen Flying Dutchman und Voltigeur im Jahre 1851 beruhte auf Gewichten, für die sich Admiral Rous nach langem Nachdenken entschied.

    - Besser Match-Rennen als Gruppe-Rennen-Sieger in Kategorie F-Rennen! So könnte man sportliche Peinlichkeiten wie neulich in Mülheim mit Lucky Lion gegen Nobodies vermeiden und öffentlichen Trainingsgalopps Bedeutung und Pfiff geben. So könnte man auch elegant das gegenwärtig ungelöste Ausschreibungsproblem umgehen Rekonvaleszenten schnell und annähernd leistungsgerecht angemessen in einen geordneten Rennbetrieb zu reintegrieren. Das wäre der Knüller des Jahres gewesen: Lucky Lion gegen Lucky Speed über 1800 bis 2100 m … und wie viele ähnliche Konstellationen wären denkbar, die durchaus sportlichen Wert hätten und dann z. B. offiziell als Kategorie C-Rennen klassifiziert werden könnten.

    Was allerdings die angeblich schwer eingängliche Begrifflichkeit des Galopprennsports angeht: Dieses Problem gibt es auch in anderen Sportarten, ebenso wie in jedem Metier, das so etwas wie Fachkenntnisse beansprucht. Man möge sich nur z. B. Snooker oder Poker oder Golf im Fernsehen anschauen. Da versteht man als zufällig hinzukommender Laie aufgrund der Anglizismen mit spezieller Bedeutung auch erst einmal nur “Bahnhof”. Die Kunst liegt darin dem Interessierten diese fachlichen Begrifflichkeiten verständlich zu machen und sich nicht damit zu brüsten, dass “man erst mitreden könne oder nur gerade einmal wisse, wie man Galopprennsport schreibe, wenn man sich 20 Jahre lang intensiv damit beschäftigt habe” (wie einst Gottvater Ferdy L. verkündete, damit den Marketing-GAU des Galopprennsports verursachte, von dessen Nachwirkungen sich der Sport immer noch nicht erholt hat. Damals bereits begann das Elend, als Galopprennsport noch als Welt und Sport der und für “Kumpel und Könige” galt).

    • Eva Maria LImmer sagt:

      -…für Möchtegern-Fürsten, Elisa Doolittles,Gemütsathleten, Geldspielsüchtige und vor allem völlig empathiefreie Figuren-auf jeden Fall: Um Pferde geht es nicht.Diese haben wirklich das Pech, daß sie als Accessoir der Herrschaft galten und das Fußvolk sich nun-anstatt bei den eigenen Insignien zu verweilen-sich damit glaubt schmücken zu müssen.Mit dem offensichtlichen und niederschnetternden Ergebnis.Bezeichnenderweise wird das aber noch nicht mal bemerkt.Da kann man nur feststellen: In Equo Veritas! Bleibt zu hoffen, daß die Beutelschneider und Ritter vom Zinsfuß, der Würstchenbude und der Kaffeeplantage auf ein anderes Mordsvergnügen konditioniert werden können, welches ihnen vor allem auch gemäßer wäre und nicht so eine decouvrierende Konstrastfolie zur eigenen-meist doch eher sehr bodenständigen- Erscheinung.

      • F. J. Richter sagt:

        ” … auf ein anderes Mordsvergnügen konditioniert werden können … ”

        Was schlagen’s denn vor, wenn höflichst gefälligst gefragt werden darf? Wie belieben Madame höchstselbst ihrem Leben Erfüllung zu geben? Was dünkt Madame als gemäßes persönliches – selbstredend bodenständiges – Mordsvergnügen, was ihr ganz narrisch frömmt, weil es wahre Schönheit und Kultiviertheit reinen Menschentums versinnbildlicht? Beltracchi-Werke kreieren und damit den internationalen Kunstmarkt überschwemmen? Prominente Steuersünder resozialisieren und zu bienen-fleißigen Malochern machen? Drogendealern mit ihrem eigenen Stoff den Goldenen Schuß verpassen?

        ” … ihnen vor allem auch gemäßer wäre und nicht so eine decouvrierende Konstrastfolie zur eigenen-meist doch eher sehr bodenständigen- Erscheinung … ”

        Und wie steht’s mit der werten eigenen blendenden selbst-optimierten Erscheinung?

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