Die Badenia – Mannheims Traditionstitel

Am Sonntag wird in Mannheim das Badenia-Jagdrennen gelaufen. Im dünnen deutschen Rennkalender und noch viel dünnerem Hindernissport ist sie eines der wenigen noch verbliebenen Jagdrennen und das letzte Jagdrennen aus alter Zeit, dessen Tradition noch gepflegt wird.

Gegründet wurde die Badenia 1870 als Offziersreiten. Der erste Sieger war “The Nip” im Besitz des Grafen M Wolff-Metternich, geritten von Graf W Metternich. Im nächsten Jahr, 1871 mußte das Rennen wegen des deutsch-französischen Kriegs ausfallen.

Über die ersten Jahre des Rennens habe ich nur wenige Informationen. Es soll damals immer “gutes Geld” gegeben haben, aber prüfen konnte ich das noch nicht. Im Sattel saß die Creme de la Creme der deutschen Herrenreiter. Otto Suermondt, der ewige Champ der Amateurrennreiter siegte zweimal, Graf Bismarck ließ laufen, ritt allerdings nicht selbst, im Sattel saß Graf Dohna, ein Sproß einer der wohlhabendsten Adelsfamilien des alten Ostpreußen. Die Badenia gewonnen zu haben, war für einen Soldaten in der alten Armee durchaus karrierefördernd.

1904 betrug die Dotierung dann 14.000 Mark und es ging steil bergauf. 1907 waren es schon 45.000 Mark, 1911 waren es 58.000 Mark, 1913 69.000 Mark und 1914 stolze 74.000 Mark. Aber was heißt das eigentlich, wieviel Geld war das damals? Das Rennjahr 1914 wurde durch den Kriegsausbruch 1914 vorzeitig beendet. Deswegen einmal ein paar Vergleichszahlen aus 1913, dem wohl wertvollstem Rennjahr in der Geschichte des deutschen Turfs.

Es gab ein paar Hunderttausender, dazu gehörte der Große Preis von Berlin, damals auf der Grunewaldbahn gelaufen, der Große Preis von Hamburg in Hamburg-Groß-Borstel und der Hammonia-Preis ebenfalls in Groß-Borstel gelaufen. Das Derby war mit 120.000 Mark dotiert, der Große Preis von Baden mit 80.000 Mark. Baden Baden und Mannheim lagen beide im Herzogtum Baden und zwischen dem bedeutendem Großen Preis von Baden und dem Jagdrennen in Mannheim betrug die Preisdifferenz gerade einmal 6.000 Mark.

Über die Sprünge war nur das Große Berliner Jagdrennen mit 76.000 Mark höher dotiert. Das hochrenommierte Große Armee-Jagdrennen, gelaufen unter dem Protektorat S. M. des Kaisers war mit 13.400 Mark geradezu sparsam dotiert. Im Großen Preis von Karlshorst, dem Deutsche Cheltenham Gold Cup gab es 45.000 Mark zu gewinnen.

Die Klassiker auf der Flachen waren ebenfalls vergleichsweise sparsam ausgestattet.  Das Henckel-Rennen (heute Mehl-Mülhens-Rennen) mit 26.000 Mark, die Diana mit 27.220 Mark und das Leger mit 40.000 Mark.

Allein die absoluten Zahlen sind schon beeindruckend, aber was war das Geld denn wert? Ein ziemlich simpler Vergleich. 1911 oder 1912 wurde in Ratingen bei Düsseldorf ein Bauernhof mit ca. 30 ha Land für rund 30.000 Mark verkauft. Den Kaufvertrag habe ich vor einigen Jahren einmal gesehen. Mit der Siegdotierung der Badenia von 1914 hätte man den Hof kaufen können und noch etwas Geld übrig gehabt. Ein Rennen gewinnen und einen Bauernhof kaufen – in Deutschland heute unmöglich, eine Utopie..

Vom Statistischen Bundesamt wird eine Langzeittabelle mit den Einkommen der Arbeiter im produzierenden Gewerbe seit 1913 gepflegt. Danach verdiente ein Arbeiter in der Fabrik 1914 119 Mark im Monat oder 1428 Mark im Jahr. Die Dotierung der Badenia betrug also knapp 52 Arbeiter-Jahreseinkommen.

Neben dem Geldpreis gab es für den Sieger noch einen großzügigen Ehrenpreis “Goldpokal gegeben von SKH, dem Markgrafen von Baden garantirt 3000 Mark wert”. War der Offizier nicht gleichzeitig Besitzer des Pferdes, so wurden diese Pokal recht häufig sehr schnell verkauft, weil die Offiziere meistens knapp bei Kasse waren.

Mannheim war immer ein kleiner Verein mit wenigen Renntagen. Aus den Totoerlösen konnte man solche Rennpreise nicht bezahlen. Ohne die großzügigen Zuwendungen des Badischen Fürstenhauses hätte man solche Rennpreise nicht bezahlen können. Die Jagdrennen waren für die Offiziere in Friedenszeiten ein wichtiges Betätigungsfeld und Siege auf der Rennbahn waren bei der Beförderung hilfreich. Der Hintergrund war sehr einfach. Ein Offizier, der im Renntempo im dichten Pulk energisch gegen die damals respektablen Hindernisse ritt, hatte Mumm und konnte im Krieg eine Einheit auch unter feindlichem Feuer vorwärts führen.

Jagdrennen als Ausbildungsstätte der Armee – heute mutet es sonderbar an, damals war es  normal, gelebte Realität

Aber dann kam der Krieg und die ganze Herrlichkeit wurd’ über Nacht hinweg gerafft.

Nach dem Krieg war alles anders. Das Fürstenhaus als Sponsor existierte nicht mehr und die Gesellschaft erlebte einen Umbruch, wie es ihn in Deutschland zuvor wohl noch nicht gegeben hat. Daß der Rennsport mit seiner Nähe zu den Fürstenhäusern davon nicht verschont blieb, versteht sich von selbst. Dazu kamen die Nachkriegswirren und viele politische und wirtschaftliche Probleme.

1920-1922 wurde die Badenia wieder gelaufen. 1922 betrug die Dotierung bei einer sich stark beschleunigender Inflation 75.000 Mark. Vom Wert war es nur noch ein Bruchteil der Vorkriegsdotierung. Danach war bis 1933 erst mal Schluß mit Galopprennen in Mannheim. Die Badenia wurde erstmals 1934 wieder gelaufen. 7.000 Mark betrug die Dotierung. Verglichen mit heute eine gute Dotierung, aber in Relation zu den großen Flachrennen und den Jagdrennen auf der Berliner Hindernisbahn Karlshorst doch eher bescheiden. Aber es ging aufwärts. 1937 standen wieder 15.000 Mark über dem Rennen. Soviel zahlte auch das Kisasszony-Rennen (1000 Guineas), das Henckel-Rennen und der Hansa-Preis waren mit 21.000 Mark dotiert, der große Preis von Baden mit 43.000 Mark. Im Derby, Großer Preis der Reichshauptstadt und Braunes Band von Deutschland gab es  100.000 Mark zu gewinnen.

Wertvollstes deutsches Hindernisrennen war damals der Alpenpreis in München mit 30.000 Mark. Dort gab es auch einen Sponsor, über den man heute aus gute, Grund nicht mehr so gerne spricht.

Auch in der Zeit zwischen den Kriegen war die Badenia den Amateuren und Offizieren vorbehalten. Eine Öffnung für die Jockeys erfolgte erst mit dem Neubeginn nach dem zweiten Weltkrieg.

Mit dem erneuten Kriegsausbruch war wieder Schluß mit Rennen in Mannheim. Obwohl der Rennsport in Deutschland weiter betrieben wurden, wurden in Mannheim keine Rennen gelaufen.  Erst 1957 sollte wieder eine Badenia gelaufen werden, allerdings nicht in Mannheim, sondern in Haßloch in der Pfalz, wo sie bis 1972 gastieren sollte. Seit 1973 wird sie wieder in Mannheim gelaufen. Allerdings ist die Rennbahn in Mannheim heute nicht mehr identlisch mit der MAnnheimer Bahn vor 1918.

Auch wenn die Dotierung zur Jahrtausendwende teilweise über 30.000 Dm betragen hat, hatte die Badenia nicht mehr die Bedeutung, die sie in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg hatte.

Pferderennen in Mannheim, daß ist heute perfekt organisierter und volkstümlicher Rennsport. Wenn es nicht gerade junge Hunde regnet, ist die Bahn zum Haupttag des badischen Rennjahres brechend voll.

Daß man in Mannheim sehr rührig ist, hat sich auch im Rest der Republik rumgesprochen. Und die Mannheimer wissen um die Bedeutung der Badenia, die der Rennverein vorzüglich pflegt. Die alten Traditionsrennen ist ein Pfund des Rennsports in den modernen und unruhigen Zeiten, dessen man sich in vielen Bereichen gar nicht wirklich bewußt zu sein scheint.

10 Pferde sind als Starter angegeben und mit zwei Startern aus Tschechien, je einem aus Belgien und Frankreich ist ein sehr internationales Feld geworden. Deuxcentdixhuit (118), der Vorjahressieger und Alanco haben wohl die besten Chancen. Supervisor vertritt nicht mehr die Klasse wie vor zwei oder drei Jahren und sollte es schwer haben, die Favoriten zu schlagen.

Dem Mannheimer Rennverein wünsche ich einen guten und erfolgreichen Renntag – auf das die Tradition der Badenia noch viele Jahre weiter leben wird.

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4 Antworten auf Die Badenia – Mannheims Traditionstitel

  1. matjes sagt:

    Sehr schön zu lesen, und ein interessanter Beitrag. Leider gehört es heutzutage zur Tradition, Tradition zu vernichten. Bedauerlich, aber Zeitgeist.

  2. Badenser sagt:

    Die Zahlen muß man zweimal lesen. Ich nehme an, daß sie gut recherchiert sind, denn die Webseite spricht ja für sich. Damals muß es eine richtige Freude gewesen sein, Rennpferde zu halten. Heute ist das mehr Frust. Vor allem wenn man die Rennpreise und die Kosten sieht.

    Soviel Geld und dann in einem Amateurrennen. Einfach Wahnsinn!

  3. Blücher sagt:

    @Matjes
    Der Galoppsport sollte sich seiner Tradition erinnern und mit diesem Pfund wuchern. Aber das kostet Zeit und Mühe und davor drückt man sich.

  4. hschmelz sagt:

    wer ist denn man, herr blücher? wer soll denn bezahlen? Sie?