Peitschenmißbrauch und die Bestrafung

Das Derby und der Peitschenmißbrauch der ausländischen Reiter haben viel Staub aufgewirbelt und sind auch in den sozialen Medien teilweise nicht mehr sachlich diskutiert worden.

Der Besitzer des Drittplazierten hat inzwischen gegen den Sieger Protest wegen vorsätzlicher Mißachtung der Peitschenregel eingelegt. Hintergrund soll sein, daß der Manager des Stalls Darius dem Jockey im Führring gesagt haben solle, daß er sich keine Sorge wegen einer Peitschenstrafe machen solle, die würde der Besitzer übernehmen. Dies soll eine bezeugte Aussage sein.

Die Rennleitung in Hamburg hat die Reiter des Derbys wie folgt bestraft: Die RL belegte D. Vargiu wegen Verstoß gegen Nr. 594/10 RO mit einer Geldbuße von 2.000 EUR, F. Tylicki wegen Verstoß gegen Nr. 594/10 RO mit einem Reitverbot vom 24.07. bis einschl. 27.07. (4 Renntage), F. Tylicki wegen Verstoß gegen Nr. 594/10 RO mit einem Verfall von 75 % der Gewinnprozente, D. Vargiu wegen Verstoß gegen Nr. 594/10 RO mit einem Verfall von 75 % der Gewinnprozente.

75% der Gewinnprozente im Derby heißt für D Vargiu eine Geldstrafe von 14.625 und für F. Tylicki eine Geldstrafe von 4.875 EUR. Vargiu sind das insgesamt 16.625 EUR, für  F. Tylicki läßt sich der Einkommensausfall nicht einfach berechnen.

Die Strafen sind heftig – und ich möchte als Nichtjurist einmal den Versuch wagen,  sie in das allgemeine Rechtssystem ein zuordnen. Das deutsche Recht unterscheidet zwischen Ordnungswidrigkeiten und Strafrecht.  Bei den Ordnungswidrigkeiten wird ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 1.000 EUR ohne Rücksicht auf das Einkommen des “Täters” verhängt.

§17 Abs. 4 OwiG enthält dabei eine Besonderheit: Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so kann es überschritten werden.

Diese Verschärfung wird aber durch §17 Abs. 4 OwiG Abs. 2 deutlich gemildert: Droht das Gesetz für vorsätzliches und fahrlässiges Handeln Geldbuße an, ohne im Höchstmaß zu unterscheiden, so kann fahrlässiges Handeln im Höchstmaß nur mit der Hälfte des angedrohten Höchstbetrages der Geldbuße geahndet werden.

Vorsatz wird man dem Reiter nicht unterstellen und noch schwerer beweisen können. Selbst wenn er vom Besitzer einen “Freifahrtschein” für eine mögliche Strafe wegen Peitschenmißbrauchs bekommen hat, heißt das nicht, daß er davon zwingend Gebraucht macht und bei einem anderen Rennverlauf (ein überlegenes Pferd) gar nicht in die Versuchung gekommen wäre, die Peitsche zu häufig einzusetzen.

Nimmt man die Geldstrafen des Strafrechts als Maßstab, dann muß zunächst das Einkommen der zu Bestrafenden ermittelt werden. Es handelt sich dabei dann um das Netto-Einkommen, das wirklich zur Verfügung steht und wird regelmäßig nach unten gerundet. So wurde bei einem  aus den Medien  bestens bekannter “Selbstdarsteller”, der vor einigen Jahren in Zusammenhang mit Zwangsprostitution strafrechtlich belangt wurde, ein Tagessatz von 100,- DM (so lange ist es her) zugrunde gelegt wurde. Mich hatte dieser Wert sehr gewundert da er damals einige Sendungen im ‘TV moderierte und allein daraus ein deutlich höheres Einkommen erzielen mußte. Aber sei es drum, es wurde runter gerechnet.

Wie viel Tagessätzen würden die Strafen im Derby nach diesem Maßstab entsprechen. Kann man im Zusammenhang mit dem Peitschenmißbrauch überhaupt von einer Straftat sprechen oder ist es eine Ordnungswidrigkeit, die im Fußball mit einer gelben Karte geahndet wird?  Bewegt sich die Höhe der Geldstrafe bei D. Vargiu schon im Bereich von 90 Tagessätzen, wonach er dann vorbestraft im strafrechtlichen Sinn wäre?  Denn es darf nicht alleine der Rennpreis in dem jeweiligen Rennen gesehen werden. Es muß auch die wirtschaftliche Gesamtsituation des Reiters gesehen werden. Vielleicht ist es der einzige Erfolg in einem großen Rennen des sonst wenig beschäftigten Jockeys.

Der Ausflug in die ordentliche Justiz macht die Sache sicher nicht einfacher – aber man kann die Geldstrafen auch nicht nur mit der Rennsportbrille sehen. Der Peitschenmißbrauch ist dabei fast die Königsdisziplin des Strafenkatalogs, abgesehen von der Behinderung auf der Zielgeraden. Das ist wie das Foul im Strafraum, dafür gibt es Elfmeter bzw. Das Rennen geht an den Behinderten.

Es kann hier jedenfalls nicht von Vorsatz ausgegangen werden, denn man geht nicht ins Rennen und sagt, ich gebrauche die Peitsche zu oft. Deswegen kann auch die Höchstgrenze, nämlich der Verfall des erzielten wirtschaftlich Vorteils, nach Ordnungswidrigkeitengesetz nicht angewendet werden.

Orientiert sich der Rennsport am Ordnungswidrigkeitengesetz oder am Strafrecht?

Von den großen europäischen Rennsportländern hat Deutschland die strengsten Regelungen für den Gebrauch der Peitsche. Sie darf im Rennen fünfmal eingesetzt werden. Wohlgemerkt im Rennen – nicht auf der Zielgeraden, egal ob 1000m oder 4000m.
Die liberalsten Vorschriften haben die Iren. Dort ist der Gebrauch der Peitsche erlaubt, wenn das Pferd nach einem Schlag anzieht und beschleunigt. Die Peitsche muß dem Pferd vorher gezeigt werden oder es muß auf die Schulter geschlagen werden. Die Peitsche darf nicht zu hoch geführt werden und zwischen den Schlägen muß das Pferd Gelegenheit haben, zu reagieren. Wann es zuviel ist, liegt sehr im Ermessen der Rennleitung und dem Verlauf des Rennens. Die gleiche Schlagzahl kann bei Kopf Zweiter zu viel sein und beim Sieger ist sie in Ordnung.

In England und Frankreich sind sieben Schläge mit der Peitsche erlaubt. England hatte mal ein ähnliches System, wie es in Deutschland derzeit angewendet wird. Bei Peitschenmißbrauch verfielen die Gewinnprozente. Davon ist man aber wieder abgerückt. Die Strafen sind unterschiedlich, aber weit von den deutschen Strafen entfernt.
Wir haben im europäischen Vergleich die niedrigsten Rennpreise in Deutschland – und gleichzeitig die höchsten Strafen für Peitschenmißbrauch.

Die Regeln müssen im Sinne des Sports überdacht werden  - und das kann keineswegs eine Verschärfung bedeuten.

Die Frage des Tierschutzes ist auch noch zu diskutieren. Das kommt in Kürze.

Und alle Kritiker, die den Peitscheneinsatz teilweise in sehr scharfer Form kommentiert haben, seien an die King George VI von 2012 erinnert. Danedream gewann mit Andrasch Starke nach hartem Kampf auf der Linie mit einer Nase. Vor allem auf den letzten hundert Metern hat Andrasch sehr energisch mit der Peitsche geritten, um den Gegner dann auf der Linie zu stellen. Ganz Turfdeutschland jubelte über den ersten Erfolg eines in Deutschland trainierten Pferdes in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes. Daß Andrasch etwas mehr hingelangt hat, als er es normalerweise tut, war kaum einer Erwähnung wert.

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3 Antworten auf Peitschenmißbrauch und die Bestrafung

  1. layman sagt:

    Wie Sie selber sehen, bringt der Vergleich mit dem Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht nichts! Allenfalls kann man feststellen, daß sich die Strafen faktisch durchaus in derselben Größenordnung bewegen, wie dort für vergleichbare Verstöße üblich. Und? Und wenn es nicht so wäre?

    Vorsatz kann m.E. durchaus unterstellt werden, Ihre Argumentation zielt hier vollkommen ins Leere! Oder ist auch ein Raubmord z.B. dann nicht vorsätzlich, wenn der Täter bei freiwilliger Herausgabe der Juwelen (vergleichbar dem anderen Rennverlauf) das Opfer am Leben gelassen hätte? Vielmehr legt die unterstellte ausdrückliche Aufforderung des Managers, wenn es eng wird, die Peitsche ohne Rücksicht auf das (dem ausländischen Reiter eben zuvor durch die Rennleitung erläuterte) Verbot einzusetzen, einen Vorsatz gerade nahe!

    Gegen einen Vorsatz spricht regelmäßig die ‘Emotionalität’ des Geschehens und der ‘Eifer des Gefechts’, der in der Tat ein sorgfältige Zählen und die Disziplin, weitere Schläge zu unterlassen, behindern könnte. Hier wäre man dann in der Tat bei einem ganz anderen Vergleich, nämlich dem von Ihnen angeführten Fußball. Fouls sind verboten, trotzdem werden sie als ‘Tatsachen des Lebens’ akzeptiert, es gibt wohl kaum ein Spiel ohne Foul. Jedoch nicht ohne – abgestuft nach Schwere des Vorfalls – bestraft zu werden. Dieses Vorgehen wird dem Wesen des Fußballs gerecht, auch wenn es nicht immer gerecht ist! Ein Fußball ohne Fouls ist kaum vorstellbar, es wäre wie lauwarmer Kaffee ohne Coffein! Man kann danach trachten, die Zahl der Fouls zu reduzieren, abschaffen kan man sie nicht.

    Ähnlich könnte man es mit der Peitsche sehen! Was wären Rennen ohne packende Enkämpfe, bei denen jeder Reiter – auf eine Art, die seinem Pferd möglichst gerecht wird – das letzte Quentchen Leistung abruft? Was für einen spektakulären Endkampf hat das diesjährige Derby geboten? Welch beeindruckende Leistung des Siegers aber auch seines Reiters, nachdem er mit enormem Speed überholt wurde, auf den letzten Metern noch einmal an- und an dem Angreifer vorbei zu ziehen! Hätte der Dritte (ggf. mit Peitschenhilfe) sich dagegen durchsetzen können? Ich meine nicht! Aber hätte, wäre, wenn, sind im Sport immer beliebte Ausreden – auch das gehört dazu und jeder Fußbalfan kann und muss damit leben, daß es auch anders hätte ausgehen können, wenn nicht dieser Elfmeter gegeben worden wäre oder nicht jener Spieler nach Foul verletzt ausgeschieden wäre.

    Was aber, wenn nun ein überragender Spieler absichtlich durch ein Foul ausgeschaltet wird? Was, wenn diesbezüglich etwa eine Aufforderung des Managers ruchbar wird? Dann kommt man vom Vorsatz zum groben Vorsatz und streift – je nach Schwere des Falles – schon in gefährlicher Weise das Strafrecht! Aber man soll auch die Kirche im Dorf lassen: Hier geht es nicht um Körperverletzung sondern um 3 zusätzliche Peitschenhiebe mit denen das Pferd animiert würde, sein Bestes zu geben – mit Erfolg und ohne Schaden.

    Nachdem man dem Ansinnen der Tierschützer, die dies anscheinend als eines der ganz großen Probleme betrachten, vergleichbar womöglich mit der blutigen Ausrottung von Nashörnern und Elefanten, nachgeben will und muss, wäre es trotzdem gut, wenn man die bestehende Regel beibehalten würde. Sie muss dann aber weiterhin mit Augenmaß und mit vertretbaren Strafen durchgesetzt werden. Die im vorliegenden Fall unterstellte Anstiftung ist hingegen ein wirklich schwerwiegender Verstoß, für den aber m.E. weder das Pferd, noch der Reiter noch die Rennleitung zuständig sind. Das ist ein Fall für den Ordnungsausschuss (u.a. Schädigung des Ansehens des Rennsports in einem besonders schweren Fall) und sollte dort mit der Höchststrafe sowie mit der Androhung des dauerhaften Ausschusses von der Teilnahme am Rennbetrieb im Falle einer Wiederholung geahnet werden. Das geht GAR nicht – wenn es denn stimmt und belastbare Beweise vorliegen!

    • Blücher sagt:

      Der Ausflug in die ordentliche Gerichtsbarkeit bezog sich im wesentlichen auf das Strafmaß – das ich im Rennsport für überzogen betrachte.

      Wir müssen einmal offen die Peitschenfrage diskutieren und die Wirkung, die sie wirklich hat und wir müssen das offen kommunizieren, weil sonst der Rennsport von sogenannten Tierschützern kaputt gemacht wird.

      • Eva Maria Limmer sagt:

        Lieber Blücher,

        wenn Sie Passagen aus dem Kommentar laymann einfach nur fettdrucken und daneben die dazugehörigen Bilder setzen vom “packenden Endkampf” und”siegendem Sieger”, dann ist der Untergang schon besiegelt, denn dann sieht wirklich auch der Allerletzte, was “Rennspocht” eigentlich in Wirklichkeit bedeutet.

        Lustig auch(Freispruch für das Pferd!):”

        Die im vorliegenden Fall unterstellte Anstiftung ist hingegen ein wirklich schwerwiegender Verstoß, für den aber m.E. weder das Pferd(!), noch der Reiter noch die Rennleitung zuständig sind.
        (Very lustig)

        Das Pferd ist nur zuständig dafür das Mordsvergnügen unter selbstlosem Einsatz seiner gesamten Lebensenergie-mit Hilfe des Peitschenden möglich zu machen,der so helfend”das letzte Quentchen Leistung abruft” eines unausgewachsenen Jungpferdes, welches danach regelmäßig aussieht, als sei es durch die Hölle gegangen.

        Doch”sie schämeten sich nicht”.

        Ich glaube, “der Rennsport” sollte sich mal selbst laut und deutlich seine Texte vorlesen und dann ggf.etwas darüber meditieren.

        Wobei ich mittlerweile glaube, hier hilft nur die eigene materielle Erfahrung des Beschriebenen.Vielleicht macht man mal eine Selbsterfahrungsexkursion in die Kaffeeplantagen von Atti-oder versucht sich selbst als sein “Polopony” mit entsprechender Gebiß-und Bremshebelausstattung.

        Nichts geht über die eigene Erfahrung.

        Die gleiche Empfehlung an die Petarianer-nur dass diese dann wohl bald nicht mehr leben, weil liebevoll eingeschläfert und kostensparend entsorgt.

        Fazit, wie schon erwähnt: Bei Tierschutz und Rennspocht treffen mitnichten zwei Gegenparteien aufeinander und die eine braucht die andere, um ihr Urziel zu verfolgen.

        Mir ist letztere Medaillenseite deutlich sympathischer, denn hier weiß man wenigstens direkt woran man ist.

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