Die Grand National 2012 ist gelaufen – und sorgt wieder einmal für heiße Diskussionen.
Für das Auge war es ein hektisches Rennen mit einigen unschönen Stürzen. Nun ist der Grand-National-Kurs von Aintree bekanntermassen kein Spaziergang und die Grand National keine einfache Veranstaltung. Denn in Liverpool werden Helden gemacht, nach Grand National-Siegern werden in England Züge benannt und sie sind überall populär und bekannt. Sie sind Volkshelden, fast wie Fußballstars.
Andererseits kommt es aber auch immer wieder zu schweren Stürzen, bei denen Pferde ihr Leben lassen müssen.
Diesmal fing bereits alles unglücklich an als Synchronised beim Aufgalopp seinen Reiter verlor und allein im ruhigen Canter über die Bahn ging. Es war ein Genuß, das Pferd und seinen Reiter zu erleben, als sie zur Startstelle zurückgaloppierten. AP McCoy ließ Synchronised am langen Zügel ganz entspannt galoppieren und angestrengt hat sich der Sieger des diesjährigen Cheltenham Gold Cups bei seinem Ausflug sicherlich nicht.
Der Boden war trocken und die Jockeys gingen das Rennen schnell an, nur der Sieger war lange Zeit in den hinteren Regionen auszumachen. Es ist normal, daß in der Hektik nach dem Start in der Grand an den ersten zwei, drei Sprüngen einige Pferde fallen oder ihre Reiter verlieren. Und es passiert dabei äußerst selten etwas. Danach zieht sich das Feld auseinander und jeder hat Platz zum Springen.
Dieses Jahr war es anders: Die Pferde galoppierten im dichten Pulk und behinderten sich teilweise gegenseitig. Am Sprung vor Beechers Brook kam ein Reiter zu Fall, landete einem nachfolgenden Pferd vor den Füßen, so dass es über ihn fiel – und darüber fiel schließlich noch ein weiterer. Dies wäre nicht passiert, wenn die Reiter mehr auf Lücke reiten würden.
Beechers Brook, erste Runde, Synchronised macht einen Rumpler und muß zu Boden. Aber er springt auf und galoppiert mit dem Feld weiter, geht über die nächsten zwei Sprünge und springt am übernächsten schlecht und bricht sich das Hinterbein. Fatal, ein Sportler geht eigentlich zum Duschen, wenn er aus dem Wettkampf ausgeschieden ist. Synchronised geht weiter, springt weiter und macht einen schweren Fehler, der ihn das Leben kosten sollte. Einfach scheiße (*sorry), so etwas. Faszinierender Sport, grausamer Sport.
Diesen Sturz aber auch nur ansatzweise mit Synchronised’s Ausflug vor dem Rennen in Verbindung zu bringen ist lächerlich. Bis Beechers Brook erste Runde sind die Pferde vielleicht 2000m galoppiert, sie müssen danach noch 5000m durchhalten. Wer da schon müde ist, wird aus dem Rennen genommen. Deswegen stören die 400m, die Synchronised vor dem Rennen mehr galoppiert ist, absolut nicht.
According to Pete war der Zweite, der sein Leben lassen mußte. Er fiel und ein zweites Pferd fiel über ihn und landete dabei so unglücklich, daß er das Bein von According to Pete brach.
Früher war alles angeblich besser, aber wie war die Grand National früher? Ich habe mir wahllos die Rennen von 1988 und 1973 gesehen. Damals waren die Sprünge mächtiger, der Graben hinter Beechers Brook war tiefer und breiter.
1988 fiel in der ersten Runde ein Pferd an Beechers Brook. Alle anderen kamen problemlos über. Auffällig war, daß das Feld sehr früh weit auseinander gezogen war, die Pferde sich nicht gegenseitig behinderten und dadurch fielen. 1973 gewann Red Rum, die ewige Legende von Aintree, seine erste Grand. Zwei weitere Siege und zwei zweite Plätze sollten noch folgen. Auch damals fielen Pferde, auch damals gab es tödlich Stürze, aber vom Gefühl waren es weniger, als dieses und letztes Jahr.
Was ist die Ursache dafür? In England gibt es Stimmen von ausgewiesenen Fachleuten, die sagen, daß die Grand National zu leicht geworden ist. Das mag befremdlich erscheinen, aber es ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Wer in Liverpool über den Kurs kommen will, muß ein Top-Springer sein. Aber weil die Grand National entschärft wurde, geht man auch mit Pferden in dieses Rennen, die vielleicht “nur” erstklassige Rennpferde im National Hunt Sport sind, aber eben nicht die Top-Springer sind, die sie für Liverpool sein müssen. Oder sind die Leistungsunterschiede der Pferde geringer geworden, wodurch sie dichter beieinander galoppieren und sich dadurch mehr gegenseitig behindern und man einem gefallenen Pferd kaum noch ausweichen kann? Oder ist es die schnelle Bahn, der trockene Boden, der dieses und letztes Jahr in Liverpool war und die Jockeys dazu verführte, das Rennen vom Fleck weg schnell anzugehen?
Die Zeiten sprechen eine andere Sprache, sie sind in den letzten zwanzig Jahren nicht merklich schneller geworden, aber die Zeit alleine sagt bekanntlich wenig darüber aus, wie das Rennen gelaufen wurde.
Was soll man machen? Die Hindernisse entschärfen? Dann wäre die Grand bald ein Jagdrennen wie jedes andere! Und es würden nicht weniger Unfälle passieren, denn mit den Anforderungen sinkt auch die Springklasse der Pferde.
Die Distanz verkürzen? Hilft auch nichts, denn die meisten Unfälle passierten in der ersten Runde. Oder sind die Starter in der Grand National andere Pferde geworden? Sind es nicht mehr die großrahmigen Vollblüter, die mehr einem Hunter als einem Vollblüter ähneln?. “Junior” beispielsweise war 2010 Royal Ascot-Sieger und lief dieses Jahr in der Grand National – hätte es dies vor 30 Jahren gegeben?
Aber – was soll man machen? Ich denke, nichts … aber auch nur, weil ich keine andere Lösung habe.
Die Lösung darf nur nicht heißen, daß die Grand National von Aintree ein gewöhnliches Jagdrennen wird. Gerade ihre Einzigartigkeit ist es, die ihren Ruhm und den ihrer Sieger begründet und wenn sie gewöhnlich wird, wird man bald nicht mehr über die Grand National und ihre Sieger sprechen.
Wer jetzt denkt, daß Trainer und Besitzer leichtfertig mit dem Leben der Pferde umgehen, der kennt den englischen Hindernis-Sport nicht. Wer einmal die Trainingsanlagen der großen National-Hunt-Trainer gesehen und erlebt hat, wie sorgsam die Pferde dort trainiert und umsorgt werden, der wird merken und erleben, wieviel Wertschätzung den Pferden entgegen gebracht wird, und solche Gedanken schnell wieder verwerfen.
Es bleibt zu hoffen, daß es nächstes Jahr mal wieder eine schöne Grand National wird, nach der vor allem über den Sieger und nicht über Stürze und tote Pferde gesprochen wird.
Gewonnen wurde die Grand National 2012 von dem elfjährigen Neptune Collonges mit Daryl Jacob im Sattel, trainiert von der Trainerlegende Paul Nicholls und im Besitz von J. Hales. Es war der wohl knappeste Richterspruch in der langen Geschichte des Rennens. Eine Nase rund 5 cm, weniger als eine Handbreite trennten den Sieger vom Zweitplazierten Sunnyhillboy mit Richie McLernon im Sattel. Für Daryl Jacob war es der erste Sieg in dem prestigeträchtigen Rennen.
Dritter wurde Seabrass mit Katie Walsh im Sattel. Vor rund 20 Jahren ritt erstmals eine Frau in der Grand, und dieses Jahr ist es Katie Walsh, die erste Frau, die in der Grand National in die Geldränge ritt. Sie stammt aus einer alten Hindernisfamilie und wäre ihr Bruder nicht am Vortag gestürzt, wären die beiden Geschwister in Liverpool an den Start gegangen. Ihre Schwägerin Nina Carberry kam nicht über den Kurs. Sie stieg unterwegs von Organisedconfusion ab.
Im Rahmenprogramm des diesjährigen Aintree-Meetings gab es viele deutsche Akzente. Im John Smith’s Sefton Novices’ Hurdle, einem Grade-1 Rennen über die Hürden siegte der aus der Zucht von Baron Ullmann stammende Lovcen. Lovcen stammt wie der Dritte “Cotton Mill” vom Fährhofer Stallion Tiger Hill ab.
Im John Smith’s Maghull Novices’ Chase siegte der französische Halbblüter “Sprinter Sacre” in überlegener Manier mit 13 Längen. Sprinter Sacre stammt von dem Monsun-Sohn Network ab, der in Frankreich als Hindernis-Stallion Vater vieler erfolgreicher Hindernis-Pferde ist. Sprinter Sacre ist ein Top-Springer, der mit enorm viel Verve über die Sprünge geht und vorausgesetzt, er bleibt gesund, einmal ein ganz Großer im National Hunt Sport wird. Es macht einfach Spaß, dieses Pferd über die Sprünge fliegen zu sehen!
Schließlich gewann als zweiter Network-Sohn “Saint Are” das John Smith’s Handicap Chase, einem Listenrennen über rund 5000m.
Damit haben drei Pferden mit deutschen Wurzeln beim diesjährigen Aintree Meeting gewonnen. Vergleicht man die Zahl der Zuchstuten in England, Frankreich und Irland mit Deutschland, dann ist das ein großer Erfolg für die kleine, aber sehr feine deutsche Vollblutzucht.
Wenn die Liverpooler Helden suchen,dann solle sie doch ihre Kinder an die Wand stellen und drauf schiessen. So haben sie ja auch gleich duzend Züge die gleich umbenennen können !
Die Engländer haben halt keine momentane Ausweichmöglichkeit. Wo sie ihre Art der Unterhaltung frönen können,den Krieg !
Da müssen halt paar Tiere herhalten,damit der Konsum die Unterhaltung auf ihre Kosten kommt.
Die Probleme der Grand National sind ganz gut beschrieben. Einen Punkt möchte ich noch ansprechen. Die Bügel sind zu kurz. Die Reiter reiten mit den gleichen Bügeln, mit denen sie auch über normale Hindernisse gehen. Damit kann man keinen Rumpler aussitzen. Die vielen reiterlosen Pferde sprechen da eine deutliche Sprache.
Und schließlich würde es der Grand National gut tun, wenn die Reiter trotz schneller Bahn das Rennen erst mal langsam angehen würden, disziplinierter Reiten würden. Aber an die Vernunft der Jockeys zu appellieren, dürfte ein sinnloses Unterfangen sein.
Guter Blog und (fast) alles auf den Punkt gebracht. Die Zucht ist an allem Schuld und das fängt ganz weit unten an: beim ZWEIJÄHRIGEN. Der muss schnell sein und möglichst früh viel laufen. Also wird in der Zucht mehr Wert auf Schnelligkeit gelegt als auf soliden Knochenbau und Ausdauer. Genau diese Gene werden dann durch die Deckhengste weiter vermittelt, den man sucht nach schnellen frühreifen Pferden. Der National Hunt Sport ist das genaue Gegenteil vom Flachsport, wird aber immer mehr von schnellen und fragilen Pferden unterwandert. Allein vor 15 Jahren wäre man NIEMALS draufgekommen Junior im Grand National laufen zu lassen. Noch im Februar war er für dieses Rennen Favorit – ein Royal Ascot Sieger im National!!!
Schaut man sich die Grand Nationals oder auch die Foxhunters bzw. Topham Chases der letzten 25 Jahre mal an stellt man fest, dass die früheren Pferde viel massiver gebaut waren und schwierigere Stürze ohne Probleme weg gesteckt haben. Allerdings gab es aufgrund der höheren Hindernisse viel mehr Genickbrüche – daher bin ich bei den jetzigen Höhen der Hindernisse froh darüber, dass diese einem (fast) erspart bleiben.
According To Pete tut mir sehr leid, denn bei einem kleineren Feld oder einem breiteren Bechers hätte er beim Sprung niemanden vor sich gehabt und ein solches Ende hat er definitiv nicht verdient. Schade, dass Besitzer da nicht mehr versuche Pferde zu retten. Zumindest eine OP probieren, mehr als einschläfern nach ein paar Tagen kann dem Pferd eh nicht mehr passieren.
Auch blöd, dass Pferde wie Kauto Star, Big Bucks, Sprinter Sacre, Denman usw. und deren Leistungen keine Erwähnung finden…….
@SprinterSacre: Der Ansatz “Zucht” gefällt mir äußerst gut. Da sind dann in erster Linie auch die Besitzer angesprochen, die eben dieses frühe Tempo fordern und sich selbst als “Elite des Sports” bezeichnen und am liebsten Ihre Sieger wie Erlkönige verkleiden möchten, damit sie in keiner Filmaufnahme zu erkennen sind, aber das ist ein anderes Thema.
Und besonders wichtig halte ich auch ein verkleinertes Feld in Grand National. So viele Rennen haben begrenzte Starterkapazitäten. Das Grand National vielleicht auch? Etwa 40? Bei dem Gerangel ist einfach vorprogrammiert, dass etwas passiert. Zehn, vielleicht 15 Starter weniger und schon wäre eine große Schärfe aus dem Rennen genommen.