Es ist schon lange her, daß ich zum ersten Mal zum Landesvertreter des Amateurverbands in Nordrhein-Westfalen gewählt wurde. Vor rund 20 Jahre war es – ich meine, daß mein Vater damals noch lebte. Das Amt des Landesvertreters kommt noch aus der Zeit vor dem Internet und als Ferngespräche noch teuer waren. Der Landesvertreter fungierte als Ansprechpartner für die Aktiven vor Ort. Und da der Amateurverband seinen Sitz auch in NRW hat, war das teilweise recht einfach. Aber es gab viel drum herum zu organisieren und vor allem gab es die Fegentri.
Es war eine schöne und teilweise aufregende Zeit mit vielen Begegnungen und Erlebnissen. Da gab es z.B. vier Amateure aus vier Ländern mit vier Sprachen im Auto. Es war ein herrliches Kauderwelsch, denn Englisch war vor ein paar Jahren noch nicht Lingua Franca. Früher waren auch mehr Fegentri-Hindernis-Rennen in Deutschland, d.h. Reiter in Düsseldorf am Flughafen einsammeln und nach Gelsenkirchen fahren. Oder Italiener, die den Verdi richtig drauf hatten und dann schon mal eine etwas schräge “Madonna e mobile” zum Besten gaben, oder eben keiner Sprache außer des Italienischen mächtig war. Da mußte dann ein italienischer Geschäftspartner mal eben fürs Dolmetschen herhalten. Es gab die Franzosen, die knapp mit dem Gewicht waren, aber sich am Abend vor dem Rennen noch eine schöne fette Gans gegönnt haben – am nächsten Tag war die Waage geschockt. Bien manger, bien travailler – aber irgendwie hat der zweite Teil manchmal nicht funktioniert und der Besitzer war zwar nicht sauer, aber auch nicht wirklich glücklich. Aber die Abende waren lustig: wir fuhren zu Acht in einem normalen PKW aus der Altstadt in die Rolandsburg. Wenn da nicht der Offizier von Ihrer Britischen Majestät Rheinarmee gewesen wäre, der mit Dienstausweis, Charme und netten Worten die Polizisten besänftigte, hätte das viel Ärger geben können …. Leider hatten auch manche Amateure beim gemeinsamen Abendessen vor dem Rennen einen gewissen Hang zum Champagner, vor allem die aus dem Land, wo der Champagner Nationalgetränk ist – und dann animiert man auch gleich die Insulaner zum Mittrinken. Auch wenn Champagner besser ist als Whiskey, muß man beides nicht trinken, wenn man Gast des Rennvereins ist. Das gab viele Diskussionen – manchmal mit Erfolg, manchmal ohne Erfolg, weil zu spät bemerkt. Wir gönnen uns doch sonst nix, da muß man mal richtig leben, wenn es nicht das eigene Geld kostet.
Und dann die Mädels – Bienenrennen sagte mein Vater früher immer, wenn es ein Amateurreiten für Rennreiterinnen war. Schlank waren sie immer, jung dazu und meistens hübsch. Wenn man mit Vieren davon im Schlepp durch die Flughafenhalle “ging”, dann gab es schon mal den einen oder anderen neidischen Blick – wenn die gewußt hätten, was so ein Haufen Mädels für Streß machen kann Ich sage nur – das Gepäck. Die Mädelskoffer für ein Wochenende waren fast immer größer als die Koffer der Herrenreiter – aber Schminkutensilien brauchen halt Platz… Es ist einiges anders bei Mädels. Die Verabredung zum offiziellen Dinner z.B. legte man immer eine halbe Stunde vor, um einigermassen pünktlich zu sein. Im Großen und Ganzen waren die Damen aber pflegeleichter und es ging viel früher heimwärts ins Hotel und nicht noch durch diverse Lokalitäten.
Und natürlich gab es die Funktionsträger. Allen voran Le Baron de Montesquieu, der längjährige Präsident und jetzige Ehrenpräsident der Fegentri. Ein Grand Seigneur, ein Aristokrat alter Schule wie er im Buche steht und wie man ihn leider nur noch ganz selten trifft. Gay Kinderslay, der Präsident Britanniens, den man eigentlich gar nicht beschreiben kann, den man erlebt haben muß. Der von sich selbst sagte, daß er mit einem silbernen Löffel im Mund geboren wurde, sich dies aber nie anmerken ließ. Außer daß er mal großzügig aushalf, wenn es irgendwo klemmte. Aber das war es nicht – er war die perfekte Verkörperung britischen Humors, der sich selbst so herrlich auf die Schippe nehmen konnte und mal eben einen sehenswerten Slapstick auf die Bühne brachte, obwohl er eigentlich den Weltmeister ehren sollte. Wäre er doch nicht eine so innige Beziehung mit Johnnie Walker eingegangen, dann könnte man wohl heute noch zusammen lachen.
Und Mme Belinguier, die erste Frau an der Spitze der Fegentri. Eine charmante Repräsentantin der Grande Nation und im Vergleich zu einigen Herren ausgesprochen pflegeleicht.
Dazu Sekretäre und Sekretärinnen, Präsidenten und Präsidentinnen aus vielen Nationen. Menschen aus verschiedenen Kontinenten mit anderen Denkweisen, anderen Sitten und Gebräuchen. Es waren meistens nur “Kurzzeitbegegnungen”, nur ein Kratzen an der Oberfläche, ein Blick durchs Schlüsselloch in die weite Welt – und alle waren wir verbunden durch den Turf, durch das Vollblut, durch den faszinierendsten Sport, den es auf Gottes Erden gibt und das zählte immer mehr als Nationalitäten oder Ansichten..
Die Zeiten ändern sich. Änderungen können herrlich erfrischend und inspirierend sein – oder auch nicht und manche Entscheidungen sind dann einfach nicht mehr “meins”. Nichts währt ewig und so geht auch mal die schöne Zeit zu Ende und das ist auch gut. Mein Nachfolger ist Roland Schierstädt. Ich wünsche ihm viel Glück!