Nach dem Sieg von Laccario im Deutschen Derby gab es nicht wenige (mich eingeschlossen), die der Meinung waren, einen guten Derbysieger gesehen zu haben. In Hamburg lief der Scalo-Sohn noch recht grün, wackelt ein wenig in der Zielgerade, gewann aber trotzdem souverän.
Und so war man guter Dinge für den heutigen Großen Preis von Baden, in dem Laccario als Favorit an den Start ging. Neun Pferde liefen insgesamt, zwei Ausländer und sieben aus Deutschland. Außer Colomano, der mit fünf Jahren Alterspräsident des Rennens war, waren die Deutschen alle Dreijährig. Ältere Grand-Prix-Pferde sind in Deutschland leider Mangelware. Die besseren Dreijährigen werden häufig ins Ausland verkauft oder bekommen leider früh gesundheitliche Probleme. Und bei der inzwischen recht kleinen deutschen Zucht ist der Nachwuchs dazu eher übersichtlich.
Wer jetzt hoffte, daß der Derbysieger sich weiter entwickelt hat, reifer geworden ist und seinen Hamburger Sieg bestätigt, der wurde leider schon vor der Zielgeraden eines besseren belehrt. Anfangs bestimmte Colomano die Pace, aber im Iffezheimer Bogen setzte sich Gaiyyath an die Spitze des Feldes und bestimmte fortan das Geschehen. Und mit fortschreitender Distanz zeichnete sich eine deutliche Überlegenheit ab. Im Schlußbogen mußte Eduardo Pedroza auf Laccario schon aktiv werden, um den Anschluß an den Godolphin-Galopper nicht zu verlieren, während William Buick vorne damit beschäftigt war, den Ehrgeiz seines Hengstes im Zaum zu halten.
In der Geraden verlor Gaiyyath seine Gegner förmlich und stiefelte mit drückender Überlegenheit die Gerade herunter. Mit sagenhaften 14 Längen gewann der Dubawi-Sohn den Großen Preis von Baden. Meine Aufzeichnungen reichen mit wenigen Lücken bis 1904 zurück. Noch nie in der Geschichte des Rennens hat es seitdem einen derart überlegenen Sieger gegeben.
Hinter dem Sieger gewann Donjah in den Farben von Darius Racing den Kampf um den Ehrenplatz gegen den Derby-Sieger und verwies diesen mit 4 ¼ Längen auf den dritten Platz. Die Stute hatte bisher viel Pech, war im Preis der Diana durch die reiterlose Schlenderhanerin gestört. Jetzt hat sie in einem störungsfreien Rennen eine wirklich gute Leistung gezeigt,. Aber sowohl Donjah als auch Laccario wirkten in der Geraden ziemlich müde, vor allem im Vergleich zu dem stramm marschierenden Sieger. Vierter wurde Colomano und der gut eingeschätzte Communique wurde Letzter. Die Plazierten sind sicher nicht schlecht gelaufen und auch dem Derbysieger ist kein Zacken aus der Krone gebrochen – aber in der internationalen Champions-League braucht er derzeit nicht anzutreten.
Aber es bleibt die Frage, wie gut der Sieger denn wirklich ist. Seine Rennkarriere lief bisher alles andere als rund. Zweijährig gewann er Gruppe III bei drei Starts. Dreijährig lief er einmal in Frankreich und gewann Gruppe III. Dieses Jahr scheint für ihn eine normale Saison zu werden. Er gewann zum Saisonauftakt den Prix d’Hacourt in Longchamps, wurde Dritter zu Waldgeist im Prix Ganay und jetzt Sieger im Preis von Baden. Äuffallend, daß er außer zweijährig nie in England gelaufen ist. Und seit dem Prix Ganay sind auch wieder vier Monate vergangen, in dem Gaiyyath nicht am Start war. Spielt die Gesundheit nicht mit oder haben die langen Pausen andere Gründe?
Er hat noch eine Nennung für den Arc und die Buchmacher haben den Kurs für ihn halbiert. 2002 gewann Marienbard nach seinem Sieg in Baden Baden den Arc – und daran wird man sich bei Godolphin sicherlich erinnern. Vielleicht wird der Arc mit Crystal Ocean, Japan und Ghaiyyath als Gegner für Enable doch noch ein richtig spannendes Rennen!
Gewinnt ein Pferd mit derartiger Überlegenheit sucht man nach ähnlichen Siegern in der Historie des Rennens und darüber hinaus.
Danedream und Lomitas gewannen den GP von Baden mit sieben Längen, Acatenango und Germany mit fünf Längen und Athenagoras 1973 mit 6 ½ Längen. Aber einen Vorsprung von mehr als 10 Längen, der früher als „Weile“ bezeichnet wurde, hat es noch nicht gegeben. Es gab noch einige andere Sieger mit dem Richtspruch „Überlegen“ oder „Hochüberlegen“, aber keiner gewann mit einem zweistelligen Vorsprung.
Wie viele Pferde hat es in Deutschland überhaupt gegeben, die ein Gruppe I Rennen mit mehr als 10 Längen gewonnen haben.
Als erstes landet man bei der „Wunderstute“ Schwarzgold. Sie war damals ein Pferd, das seine Gegner aus den Schuhen galoppierte. Das Derby gewann sie mit 10 Längen, den Großen Preis der Reichshauptstadt in Hoppegarten mit Weile, also mit mehr als 10 Längen. Im Wochenschaubericht sieht diese Weile wie gute 100m aus.Das wären dann reichlich 40 Längen gewesen.
Luciano gewann den Aral Pokal 1968 8 Längen, den Rheinland-Pokal als Nachfolger gewann Oriental Tiger 2008 mit 7 Längen, wurde später aber wegen unerlaubter Medikamentierung disqualifiziert.
Im Preis von Europa gewann Prince Ippi 1972 mit 7 Längen, ebenso Gold and Ivory 1984 und Lomitas siegte 1991 mit 8 Längen. Also auch kein zweistelliger Sieger.
Im Großen Preis von Berlin/Großer Preis von NRW siegte 1929 Oleander mit 8 Längen, 1930 Alba mit 6 Längen und Schwarzgold mit Weile 1940, Lombard 1971 mit 9 Längen.
Im Derby gab es dann drei Sieger mit einem zweistelligen Vorsprung. Wie bereits erwähnt, die legendäre Schwarzgold, dann Orofino 1981 mit 12 ¾ Längen und 2014 Sea the Moon mit 11 Längen. In der Frühzeit des Derbys gewann 1871 Bauernfänger mit 20 Längen. Es liefen damals fünf Pferde und man muß das Ergebnis der Zeit entsprechend einordnen – aber 20 Längen sind vermerkt!
Und wie sieht es im Ausland aus?
„Ribot first, the rest nowhere“ fällt mir als erstes ein. Den Gran Premio del Jockey Club gewann er 1955 mit 15 Längen, den Arc im gleichen Jahr mit 3 Längen, Milano mit 8 Längen, Ascot mit 5 Längen und den zweiten Arc mit 6 Längen. Einmal war er zweistellig.
Dann fällt mir Harbinger ein, der 2010 die King George VI and Queen Elizabeth Stakes mit 11 Längen gewann.
Shergar siegte im Epsom Derby mit 10 Längen. Ein Vorsprung, den es davor und danach im englischen Derby nicht gegeben hat.
Frankel war meist drückend überlegen, aber er wurde eigentlich kaum richtig ausgeritten, deswegen war der Vorsprung meist nur einstellig. In den Queen Anne Stakes 2012 waren es dann 11 Längen und es hätten noch einige mehr werden können, wenn man ihn gelassen hätte.
Erwähnen muß man noch Overdose – der vor allem bei seinen ersten Starts in Ungarn nicht einfach die Rennen gewann, sondern bei dem man die Längen der Siege addierte. Nachdem man den Prix de l’Abbaye de Longchamp 2008 wegen Fehlstart für ungültig erklärt hat uind ihm damit seinen Gruppe-1 Sieg „geklaut“ hat, entschädigte er sich in Rom mit einem 10-Längen Sieg im „Premio Carlo E Francesco Aloisi“. Es war halt „nur“ Gruppe III.
Und last but noch least – Secretariat – er gewann Belmont Stakes mit offiziellen 31 Längen und ist auch wegen des recht guten Rennfilms das Musterbeispiel für den drückend überlegenen Sieg eines Pferdes in einem Rennen.
Der Streifzug durch die Reihen der Sieger mit großen Vorteil am Pfosten soll nur ein kleiner Exkurs in die Welt der außergewöhnlichen Sieger sein und erhebt – vor allem im Ausland – keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Und es wurden nur Rennen der Gruppe I – mit Ausnahmen – über die klassischen 2400m berücksichtigt, weil es sonst ausufern würde.
Wie schön, daß Ihnen Harbinger auch noch eingefallen ist. Da sind wir schon zu zweit. Vielleicht fällt noch einem Harbinger ein, dann können wir den berühmten Harbinger Skat-Cup spielen. Ich gebe Ihnen noch einen vor – Sea Bird im Arc und Derby. Es geht nicht um die Länge, mein Herr, sondern um die Autorität. Da kommen dann auch Dancing Brave ins Spiel und Nijnsky eigentlich auch. Und Dubai Millenium. Und Arkle und Kauto Star und Crisp, der als zweiter gegen Red Rum verlor im Grand National, weil er fast Start-Ziel hingekommen wäre. Sie merken, mein Herrr, eine Büchse der Pandora.
Also die Steepler habe ich bewußt raus gelassen. Toronja im Alten Badener mit einer 3/4 Geraden und noch so ein paar andere, die 4000 oder 5000 oder mehr Metern weit vorne waren. Deswegen auch kein Gold Cup und kein Cadran, denn nach 4000m sehen die Abstände öfter anders aus als nach 2400m.
Und die Autorität – auch da stimme ich Ihnen zu. Nebos im Großen Preis von Baden 1980 Üb: 1 Länge. Knapp aber hochautoritär gewonnen? Und unvergessen für mich der Sieg von Lomitas 1991 im Preis von Baden, wie der Junge eingangs der Gerade vom Feld weg sprang, als würden die anderen Cantern. Es wurde richtig laut auf der Tribüne, denn sowas sieht an einmal im Leben, wenn man Glück hat.
Es war recht einfach, bei den großen Rennen mal eben die Siegerlisten nach zweistelligem Abstand durchzugucken. Aber jetzt auch noch den Sieg bewerten, war zwar nur drei Längen aber der war so überlegen, damit hätte auch Opa Rolf noch gewonnen…. Das ist eigentlich eine andere Fragestellung: Die besten Pferde der Welt oder besonders imponierende Sieger. Und das ist viel komplizierter, als mal eben ein paar große Vorsprünge rauszusuchen.
Lassen wir die Büchse der Pandora lieber geschlossen?!
Vielleicht kommen Ghaiyyath 2400 Meter noch mehr zu Passe als 2000 Meter.
Er soll ein Monster sein.
Heute läuft der unterlegene von BB, Laccario, in Hoppegarten Gruppe III. Das kommt nicht so oft vor, daß ein Derby Sieger in diese Niederungen absteigt, und ich kann mir vorstellen, daß einiges schief gelaufen ist nach dem Derby. BB sah nicht gut aus, und die Leistung macht wenig Hoffnung, daß es heute besser geht. Ich fand bei allem Eindruck in Horn die Leistung aus der Union fast besser, und möglicherweise ist das Pferd noch nicht so ausgereift, wie man es für Gruppe I braucht.
Dann kann man doch den Verantwortlichen nur für ihre Ein.-und Umsicht danken und viel Erfolg wünschen. In ein paar Stunden wissen wir mehr.
Laccario ist nicht wie ein Derby Sieger gelaufen, aber zumindest besser als in BB. Heute wäre eine Alternative in Paris, Prix Dollar. Gruppe II, 100.000 für den Sieger. Aber sogar das haben sie ihm nicht zugetraut, trotz übersichtlicher Gegegnerschaft. Ich habe das Gefühl, daß er viel Talent hat, aber noch keine Wettkampf Erfahrung und/oder Bereitschaft. Er braucht Zeit, aber die hat er ja nun.