Das erste Gruppe-Rennen des Meetings gewann Shy Witch aus dem Stall von Hans Jürgen Gröschel, geritten von Ian Ferguson und im Besitz von Karin Schwerdtfeger. Die Stute war nach zahlreichen guten Vorleistungen einfach dran.
Am Sonntag erlebten die Zuschauer die Rückkehr des wiedererstandenen Protectionist. Wie 2014 gewann er den Hansapreis aber dieses Jahr in überlegener Manier. Ein Lehnstuhlritt für Eddy Pedroza, der den Monsun-Sohn nur in Schwing halten mußte. Die verantwortlichen von Australian Bloodstock Stable ließen schon den Wunsch anklingen, ihn im November wieder im Melbourne-Cup sehen zu wollen, wozu sich Andreas Wöhler aber erst mal noch reserviert geäußert hat. Dem Vernehmen nach soll er jetzt im Großen Preis von Berlin in Hoppegarten laufen. Und träumen wir einfach mal von einer großen Herbstkampagne in Europa mit einem Ausflug nach Frankreich als Höhepunkt.
Den Flieger-Preis am dritten Tag gewann Der Contat-Sohn Schäng gewann als einziger Dreijähriger im Feld. Der Vater Contat gehört nicht unbedingt zur Elite der Deutschen Deckhengste. Und wenn ein Dreijähriger im Juli gegen die Älteren gewinnt, scheint der Derbyjahrgang dann doch nicht ganz so schlecht zu sein, wie zuerst vermutet. Auch daß Capitano den ersten Ausgleich I des Meetings mit hohem Gewicht als Dreijähriger gegen die Älteren gewann, spricht eher nicht unbedingt für einen schlechten Jahrgang.
Im “Langen Hamburger” am Mittwoch sah mit Rock of Romance einen soliden und bewährten Steher aus dem Stall von Andreas Wöhler und im Besitz des Schweizers Hans-Georg Stihl vorne. Dahinter belegte Summershine aus dem Stall der mecklenburgischen Besitzertrainerin Anna Schleusner-Fruhriep den zweiten Platz. Das Quartier fällt immer wieder mit hervorragenden Leistungen eher bescheiden gezogener Pferde auf.
Zu bemerken ist noch der Ritt von Dennis Schiergen auf Amour de Nuit aus dem Stall von Sir Mark Prescott. Man kann es schon als Auszeichnung für den “Teilzeitprofi”, der hauptberuflich studiert, betrachten, wenn er von einem so renommierten und erfpolgrreichen Trainer aufs Pferd gesetzt wird, denn es gab einige Jockey mit größerer Reputation, die vor Ort waren, aber in dem Rennen keinen Ritt hatten.
Donnerstag war rennfrei und Freitag mußte der Renntag kurzfristig abgesagt werden, weil ein Starkregen am späten Vormittag die Bahn im Sinne des Worts unter Wasser setzte. Der Renntag fiel aus und die Hamburg-Trophy als Hauptrennen wurde am Dienstag in Hannover gelaufen.
Lotto Hamburg als Sponsor hatte 350 Gäste eingeladen, die den Rennausfall mit Humor zur Kenntnis nahmen. Das Essen sei fertig und wir sitzen im Trockenen und jetzt wird gefeiert, war die einhellige Meinung. Da keine Pferde störten, wurde die Musik lauter gedreht und die Gesellschaft löste sich denn in den Abendstunden auf – und Lotto Hamburg zahlt den Sponsoren-Anteil an den HRC trotzdem. So muß das sein!
Man mußte Schlimmes für das Derby befürchten, weil der Boden durch die vergangenen Renntage schon arg strapaziert war und dazu die Wassetrmassen am Freitag. Dazu kam, daß die vor einigen Jahren neu angelegte Innenbahn als Entlastungsbahn nicht genutzt werden konnte, weil durch die Wasserführung in Hamburg diese noch nasser war als die Hauptbahn. Sie war schlichtweg nicht einsetzbar.
Der Zuschauer-Raum im inneren der Bahn erinnerte eher an Woodstock als an das Derbymeeting. Matsch und Schlamm, wohin man sah. Aber so man hörte, war die Stimmung trotzdem gut und auch ein wenig nach dem Motto “jetzt erst recht”, wir lassen uns vom Schiet-Wetter doch nicht das Derbymeeting verderben.
Den Nutan – Hamburger Stutenpreis am Samstag sah mit Near England eine Lord of England Tochter aus dem Gestüt Wittekindshof, trainiert von Markus Klug und geritten von Andreas Helfenbein vorne.
Auf dem Geläuf war der Boden tief. Dazu zwei Zahlen. Gewann Protectionist den Hansa-Preis mit 6,9 sec/100m brauchten die Stuten am Samstag im Nutan – Hamburger Stutenpreis 7,4 Sec/100m oder anders ausgedrückt, Protectionist gewann mit 51,6 km/h und Near England mit 48,4 km/h. Rechnete man die Zeit von Near England auf 2400m hoch, dann hätte der Derbysieger rund 2:58 für die klassischen 2400m gebraucht.
Aber es kam ganz anders. Hamburg hat wegen des Bodens schon öfter in der Kritik gestanden und das Direktorium wollte das wichtigste Rennen des Jahres deswegen schon mal an eine andere Bahn vergeben. Daß dies juristisch schon damals mehr als zweifelhaft war, ist eine andere Sache, aber das soll jetzt mal außen vor bleiben.
Jedenfalls hat man in Hamburg mächtig in das Geläuf investiert , die Bahn verbreitert, so daß man die Rails besser umsetzen kann, umfangreich die Grasnarbe saniert und vor allem eine effiziente Drainage installiert – und Petrus half den Hamburgern. Statt Regen gab es Sonne.
Die Bahn wurde Samstag bis Sonnenuntergang mit Sand aufgefüllt, so daß der Boden eben wurde. Dies alles geschah manuell, weil Maschinen Spuren hinterlassen hätten und das konnte man nicht wirklich gebrauchen. Drainage – Sonne und Arbeiten an der Bahn zeigten Wirkung. Die Zeiten am Sonntag waren deutlich schneller als am Samstag. Die Bahn war nicht mehr tief, sondern nur noch schwer. Auch wenn das natürlich nicht darüber hinwegtäuschen darf, daß die Bahn “benutzt” und von den vergangenen Renntagen in Mitleidenschaft gezogen war. Aber das wäre bei jeder anderen Bahn genauso.
Mit Abstrichen waren es gute Bedingungen für das Rennen der Rennen in Deutschland. Daß es als 10. Rennen gelaufen wurde, ist natürlich auch nicht optimal, aber auch den Rahmenbedingungen im Rennsport geschuldet. Der Besuch mit rund 18.000 Zuschauern und zum Derby mit gut 20.000 Zuschauern war im historischen Vergleich nicht überragend, aber aktuell kann sich die Zahl sehen lassen.
Derbysieger wurde mit Isfahan einen Lord of England-Sohn aus dem Stall Darius und von
Andreas Wöhler trainiert. Isfahan vor Savoir Vvire aus dem Stall Ullmann und Dschingis Secret im Besitz von Horst Pudwill lautete der Einlauf.
Der Favorit Boscaccio aus dem Stall von Christian Sprengel lkam mit dem Boden gar nicht klar und wurde Achter, ebenso der Landofhopeandglory aus dem Coolmore-Imperium, der enttäuschender Vorletzter wurde. Bei ihm als Vertreter der Waldrun-Familie hätte man eigentlich annehmen können, daß er den Boden kann und Aidan O’Brien muß sichtlich enttäuscht über das Abschneiden seines Schützlings gewesen sein. Aber man sollte auch nicht vergessen, daß der Hengst zuletzt ein strammes Programm absolviert hat.Am 17. Juni während Royal Ascot über 3216m, am 26. Juni über 2816m und dann am 10. Juli im Derby. Drei schwere Rennen in 3 1/2 Wochen. Das muß ein Pferd erst mal wegstecken.
Die Abstände waren knapp und es gab nach dem Rennen heftige Diskussion wegen des Peitschengebrauchs und daß Dschingis Secret der moralische Sieger war, weil Martin Seidl sich weitgehen an die deutschen Vorschriften zum Peitschengebrauch gehalten habe. Dazu in einigen Tagen mehr.
Jedenfalls muß der Derbysieger ein ziemlich gutes Pferd sein, denn eigentlich war er von Savoir Vivre schon passiert und packte dann noch einmal groß an, um die Kiste nach Hause zu schaukeln. Und es war schön, daß die drei Erstplazierten Pferde alle von einem in Deutschland aufgestellten Deckhengst abstammen.
Und sonst?
Natürlich wurde in den sozialen Medien heftig über den Derbystandort gestritten und daß Hamburg dafür einfach nicht die richtige Bahn sei und das Derby am Besten nach Hoppegarten gehe, weil Geläuf und Rennbahn einfach besser zum Derby passen.
Allen Kritikern sei dazu Folgendes gesagt.
Das Derby ist seit einigen Jahren im Prinzip ohne echten Sponsor und es ist nicht das einzige Gruppe-Rennen, bei dem der Veranstalter Schwierigkeiten mit dem Sponsoring hat. Auch der Große Preis von Baden wird ohne echten Sponsor gelaufen. Es ist also kein Hamburger Problem.
Und welcher Verein hat ein Vorstandsmitglied, das “mal eben” aus Passion und aus einem hanseatischen Pflichtgefühl heraus jedes Jahr den Wert eines besseren Einfamilienhauses auf den Tisch legt, damit sich ganz Turfdeutschland über Hamburg als Derbystandort aufregen kann?
In den großen Rennen zahlt Hamburg nur noch die deutsche Standard-Dotierung, aber in den kleinen Rennen ist die Dotierung deutlich höher als im Rest der Republik. Um es klar zu sagen, Hamburg zahlt die besten Rennpreise in Deutschland! Und vergleicht man das Rahmenprogramm des Derbytags mit dem Rahmenprogramm eines anderen Gruppe-1 Renntags in Deutschland. Dann ist der Unterschied eklatant. Ein Ausgleich I, ein Listenrennen, zwei Auktionsrennen und kein Ausgleich IV! Das sieht auf anderen Bahnen leider ganz anders aus.
Die Bahn war schwer, aber in Ordnung. Es muß auch mal ein Derby auf schwerer Bahn geben, immer nur Boden gut ist langweilig. Es gab nicht wenige, die in Hamburg gewonnen haben und sich über den Boden richtig gehend gefreut haben. Immer nur “Boden gut” ist auch langweilig und es kann auch nicht im Sinne der Zucht sein, wenn nur noch Pferde für trockenen Boden in den großen Rennen nach vorne laufen.
Die Maßnahmen des HRC unter Federführung von Volker Linde am Geläuf haben sich gelohnt. Was noch fehlt, ist eine Verbesserung im Zuschauerbereich. Das Derbymeeting ist ja nicht Woodstock. Bei schönem Wetter ist der Rasen ein angenehmer Boden - aber bei Regen wird es eben eine Schlammwüste – Leider.
Das Wettgeschäft
Gewettet wurde in Hamburg ordentlich. Nach dem ersten Wochenende hatte man ein Plus in den Kassen. Die Zahlen liegen noch nicht vor, wreil dieses jahr erstmals eine enge Zusammenarbeit mit der französischen PMU erfolgte. Das führte auch zu zahlreichen technischen Problemen. Bei einigen Wettanbietern war die Wettart Sieg teilweise nicht im Angebot etc. Kinderkrankheiten, die hoffentlich bald beseitigt sind. Aber eigentlich dürften sie bei dem Anspruch, den die PMU hat, erst gar nicht auftreten.
Die deutschen Wettanbieter.Es ist natürlich schwierig für den HRC wenn Pferdewetten und Racebets während der Derbywette mit Bonusaktionen von 25% werben und dann die Voreinstellung im Wettportal auf “Buchmacherwette” steht. Besonders bei Racebets, die doch eigentlich Partner des Rennsports sind, stößt so etwas sauer auf. Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr. Und vor seinen Feinden kann man sich bekanntlich besser schützen als vor seinen Freunden.
Es bleibt die spannende Frage, wie und wann die Rennbahn umgebaut wird. Der Hamburger Senat muß dem offen gegenüber stehen, aber es wird wohl noch einiges Wasser die Elbe runter fließen, bis das spruchreif ist.
Das Geläuf ist okay – der Zuschauerbereich wird von einem solchen Umbau hoffentlich profitieren.
Eigentlich sollte der After-Work-Renntag am Dienstag auch noch in Hamburg gelaufen werden. Aber der wurde dann aus nicht allgemein bekannten Gründen nach Hannover vergeben.
Und 2017 ist wieder Derby in Hamburg – und es wird wieder über Bahn und Boden geflucht. So ist das eben in Turfdeutschland.
Bericht vom 16.07.2016:
https://www.ovb-online.de/sport/derbysieg-dank-peitschenmissbrauch-6575721.html
Schon am 10.07.2016 berichtete die RP über das Derby und nannte die Prügelattacken:
http://www.rp-online.de/sport/andere/galopp-isfahan-gewinnt-ueberraschend-deutsches-derby-in-hamburg-aid-1.6110254
WIE LIEB! WIE SPORTLICH! WIE SCHÖN!