Am Sonntag wird in Köln der 50. Preis von Europa gelaufen. Anlaß für einen Blick zurück in die Geschichte des Rennens.
Eigentlich ist der Preis von Europa der legitime Nachfolger des Gladiatoren-Rennens, das während des ersten Weltkriegs gegründet und bis zum Ende der Bahn 1933 in Berlin Grunewald gelaufen wurde. Danach zog es nach Hoppegarten um. Anfangs wurde das Gladiatoren-Rennen im August gelaufen, seit Anfang der 20iger im späten Oktober über weite 2800m. Stamina war damals gefragt und das Maß aller Dinge und die Grand Prix Pferde sollten nach einer langen Saison beweisen, daß sie noch fit sind und über den weiten Weg kommen. Die Dotierung war erstklassig und die Siegerliste ist geschmückt mit großen Namen. Prunus, Herold, Wallenstein und Oleander seien hier genannt. Pan Robert im Besitz von L. Röller und trainiert von F. Nash hat 1924 mit 2248:10 mit ein er der höchsten Siegquoten in Deutschland überhaupt gewonnen.
Nach dem Krieg wurde das Rennen in Krefeld gelaufen und Nizam aus der Erlenhofer Zucht im Besitz von W. Bächtold wurde zum ersten Dreifachen Sieger des Rennens. Wallenstein, Graf Isolani und Oleander waren vor dem Krieg “nur” Doppelsieger. Allerdings waren 2800 in den 60igern nicht mehr so angesagt, wie das vor dem Krieg der Fall war. Für Krefeld war das Rennen wohl auf Dauer auch zu teuer und so war man wohl nicht böse, daß Köln ein ähnliches Rennen im Oktober ausschreiben wollte.
Allerdings waren römische Gladiatoren nicht mehr ganz en Vogue, dafür rückte Europa immer mehr in das öffentliche Interesse. Baron Friedrich Carl von Oppenheim war nicht nur Chef des damals einflußreichen Privatbankhauses-Oppenheim, Präsident des Kölner Rennvereins, sondern auch noch Präsident der Europa-Union, in der er sich um die europäische Einigung bemühte.
So war es passend, das Rennen“Preis von Europa” zu nennen. Und nicht nur der Titel verriet die großen Ambitionen, die man mit dem Rennen hatte. Üppige 250.000 D-Mark (125.000 EUR) betrug die Gesamtdotierung 1963. Zum Vergleich, das Derby war mit 125.000 DM und der Große Preis von Baden mit 140.000 DM dotiert. Noch ein Vergleich: ein Arbeiter im produzierenden Gewerbe hatte 1963 einen Durchschnittsverdienst von 659 DM im Monat oder 7.909 DM im Jahr. Der Preis von Europa war also wertvoller als 30 Arbeiter-Jahresgehälter!!
Der erste Sieger 1963 war Opponent im Besitz von Frau Nelly Thissen, trainiert von Josef Hochstein und geritten von keinem Geringeren als Hein Bollow. Zweiter wurde Wild Hun aus Frankreich, Dritter im toten Rennen Novalis und Spielhahn. Der erste Europa-Preis war gleich international. Gelaufen waren 11 Pferde.
Opponent gewann auch das letzte Gladiatoren-Rennen in Krefeld 1962 und baute die perfekte Brücke zwischen den beiden Rennen.
1964 siegte Fujiyama aus dem Besitz von Baron de Rothschild für Frankreich und 1965 sollte die dreifasche Serie des russischen Wunderpferdes Anilin beginnen, der mit seinem ständigen Jockey Nikolaij Nassibow den teilweise sehr guten westeuropäischen Pferden keine Chance lassen sollte. 1966 wurde er u. A. Zweiter im damals weltweit wertvollstem Einladungsrennen, dem Washington D. C. International und war 1966 oder 1967 noch Vierter oder Fünfter im Pris de l’Arc de Triomphe. In jeder Hinsicht ein internationales Klassepferd aus dem russischen Staatsgestüt Woschod!
1973 betrug die Dotierung erstmals 500.000 D-Mark, das Derby war mit 312.850 DM und der Große Preis von Baden mit 250.000 DM dotiert. Der Preis von Europa war weiterhin das finanziell herausragende Rennen in Deutschland. Es siegte der in Frankreich trainierte Acacio d’Aguilar vor Ben Trovato und Madruzzo.
1975, als Star Appeal den Arc und Windwurf den ersten von zwei Europapreisen gewann, standen 524.400 DM über dem Rennen. Der Arc war mit 2.040.000 FF oder umgerechnet 1.171.184 DM dotiert. Der Preis von Europa war mit rund 45% des wichtigsten Rennens der Welt dotiert. Man war mit Frankreich fast auf Augenhöhe. Die King George VI and Queen Elizabeth Stakes in Ascot als der wichtigste Sommervergleich in Europa waren mit 121.000 GBP oder 659.000 DM nicht viel besser dotiert als das Kölner Hauptereignis.
Rund um den Preis von Europa wurde mit der Zeit ein Meeting gestaltet, das in der Hochzeit über drei Tage ging und mit einer Vielzahl gut dotierter Rennen entwickelte sich ein internationales Meeting, das eine Vielzahl erstklassiger ausländischer Gäste anzog.
1978 siegte mit Aden wieder ein Pferd aus Russland.Nikolaij Nassibow war dieses Mal als Trainer verantwortlich. Aden schlug Tip Moss und die großartige Trillion, die kurz davor noch Runner Up zu Alleged im Arc gewesen war.
Überhaupt kamen die Russen gerne zum Europa-Meeting nach Köln. Wenn sie nicht im Hauptereignis liefen, liefen sie in den besseren Rennen des Rahmenprogramms und sie fuhren eigentlich nie ohne Geld nach Hause.
1987 siegte Kamiros mit dem gerade verstorbenen Peter Alafi im Sattel vor dem in Frankreich trainierten Le Glorieux. Es gab eine peinliche Panne. Allgemein sah man Le Glorieux als Sieger und Heinz Rosenbusch hatte ihm schon die Siegerschleife umgelegt. Als dann der offizielle Richterspruch durchgesagt wurde, gab es lange Gesichter bei den französischen Gästen und Jubel bei Kamiros’ Team und seinem, Trainer Harro Remmert. 1988 sollte mit Kondor ein sehr populärer Sieger das Rennen gewinnen und die Kölner bereitetem Hein Bollow in seinem letzten Jahr als Trainer eine tolle Via triumphalis!
1989 wäre Mondiran fast das Kunststück gelungen den deutschen “Grand Slam”, nämlich alle Gruppe-1 Rennen eines Jahres in Deutschland zu gewinnen., Aber Ibn Bey aus England machte ihm einen Strich durch die Rechnung und siegte überlegen mit 6 Längen vor dem keinesfalls enttäuschenden Mondrian.
Lomitas, zweimal Monsun und Schiaparelli sind andere herausragende Sieger in Köln. 27mal gewannen Pferde aus Deutschland, 22mal waren die Ausländer vorne. Außer dem dreifachen Sieger Anilin gab es mitTaipan aus dem Besitz von Lord Swaythling/England noch einen ausländischen Doppelsieger. Dreimal, 1966, 1978 und 1986 waren die Ausländer 1-2-3. Die meisten Starter gab es 1974 mit 17 Pferden, 1992 liefen nur vier.
Seit 2004 ging es mit dem Rennen merklich bergab. Die Siegdotierung wurde auf 155.000 EUR zurück gefahren. Auch der einstmals wohlhabende Kölner Rennverein war in den deutschen Abwärtsstrudel geraden und es wurde überall gespart. Von einst drei Meetingstagen wurde auf zwei Tage reduziert und schließlich blieb nur noch der Sonntag über. Von zuletzt zwei Gruppe-Rennen ist nur noch der Preis von Europa übrig geblieben. Der Vergleich mit dem Arc, auf den man früher sehr stolz war, ließ sich nicht mehr halten. Von den einstmals 45% zu Star Appeals und Windwurfs Zeiten sind gerade einmal 3,8% übrig geblieben – gerade mal der Skonto-Wert. In Zahlen 4.000.000 zu 155.000. Von einstmals 30 Arbeiterjahreseinkommen sind gerade einmal rund 3,8 Jahresgehälter übrig geblieben. So ist halt die traurige Realität im deutschen Rennsport.
Aber trotz aller Widrigkeiten hat der Kölner Rennverein ein gutes Rahmenprogramm zum Jubiläums-Jahr auf die Beine gestellt. Mit dem Winterkönigin-Trail, einem Listenrennen mit 50.000 und einem weiteren Listenrennen für die Stuten ist ein anständiges Rahmenprogramm zusammen gekommen. Im 50. Preis von Europa laufen sieben Pferde, eines der wenigen Jahre ohne ausländische Beteiligung. Favorit ist für mich Ovambo Queen, trainiert von Dr. Andreas Bolte, gute Chancen sollten auch noch der Ebbesloher Girolamo und Earl of Tinsdal. Daß Waldpark an die großen Erfolge der Ravensberger aus früheren Jahren anknüpft, sollte eher unwahrscheinlich sein – aber ich hätte nichts dagegen.
Schaun wir mal, wer morgen die Jubiläums-Siegerschleife tragen wird.