Die Krise in Europa hatte sich nach dem Attentat von Sarajevo vom 28. Juni zugespitzt, von allen Seiten wurde Öl ins Feuer gegossen, die Österreicher forderten verständlicherweise die Bestrafung der Attentäter der gleich ganz Serbiens. Die Russen schwammen auf der Welle des Pan-Slavismus und sicherte Serbien im Falle einer österreichischen Intervention Beistand zu. Im Frühjahr war von Berlin das vom Fürsten Bismarck sorgsam gepflegte Rückversicherungsabkommen mit Rußland nicht verlängert worden, weil man es angeblich nicht mehr brauche.
Vom 20. bis 23. Juli war der französische Ministerpräsident Raymond Poincaré zu Besuch in Rußland und natürlich wurden Beistandsverhandlungen geführt. Der Krieg war auf Sichtweite heran gekommen.
Von da an ging es Schlag auf Schlag. Österreich setzte Serbien ein 48-Stunden-Ultimatum, um die Attentäter zu verfolgen und die nationalistischen Umtrieben einzustellen, aber am 25. Juli wird in Serbien die Armee mobilisiert , Österreich antwortet mit einer Teilmobilmachung. Am 26. Juli werden die österreichischen Truppen an der Grenze zu Rußland mobilisiert. Am 27. Juli wird vom Deutschen Reich ein britischer Vorschlag, den Konflikt durch eine Außenministerkonferenz zu lösen, abgelehnt. Danach versuchte Berlin, Österreich noch einmal zu mäßigen, aber nach der am selben Tag gegen Serbien erfolgten Kriegserklärung war der Versuch zum Scheitern verurteilt .
Am 29/30. Juli erfolgt die russische Mobilmachen, England verweigert eine von Deutschland gewünschte Neutralitätszusage. Halb Europa war zu den Waffen gerufen. Am 31. Juli morgens sieht der Kaiser die drohende Kriegsgefahr, aber ändern kann er nichts mehr, denn seine Aufrufe an Frankreich und Rußland werden überhört.
Und in Heringsdorf waren Pferderennen, Nachmittags um 3 Uhr, ein Eröffnungsflachrennen und ansonsten wurde von den Amateuren über die Sprünge geritten. Der Sieger bekam jeweils 1000 Mark. Viel Geld, wenn man das mit der Kaufkraft von heute vergleicht, aber für damalige Verhältnisse war die Dotierung sparsam. Heringsdorf war ja auch eine ländliche Bahn ohne großen sportlichen Anspruch.
1470 ist die letzte Rennberichts-Nummer, soviel Rennen vor 2013 in Deutschland im ganzen Jahr nicht gelaufen. Der letzte Sieger war “Red Park” im Besitz des Hauptmanns Kleinschmitt vom Artillerie-Regiment 74, geritten von Amateur Nikolai.
Am nächsten Tag, Samstag den 1. August 1914 wurde in Deutschland die Generalmobilmachung verkündet, die Rennen fanden nicht mehr statt. Ebenso fielen die Rennen vom Sonntag aus. Der Große Preis von Berlin, gelaufen am 12. Juli war damit das letzte große Rennen, das in Deutschland gelaufen wurde. Der Rest des Rennjahres wurde abgesagt.
Heringsdorf, die Provinzbahn an der Ostsee wurde damit die letzte Bahn, die in Deutschland im Kriegsjahr 1914 Rennen veranstaltet hat.
1915 wurden die wichtigen Renntage wieder veranstaltet, aber die Rennjahre im Krieg hatten alle nur ein Sparprogramm und nur, um die wichtigen Rennen für die Zucht zu veranstalten.
Im August 14 waren alle patriotisch gestimmt, man freute sich auf die Front, auf die eisernen Kreuze, die man sich verdienen konnte, auf den “Blauen Max”. Man dachte an den Krieg 70/71, dachte, daß man Weihnachten wieder bei Muttern war, etc.
Aber es sollte alles ganz anders kommen. Europa, die Welt erlebte einen Umbruch, wie sie ihn zuvor noch nicht erlebt hatte, der Krieg war ganz anders, als man ihn aus der Geschichte kannte, keine glorreichen Kavallerieattacken, stattdessen Materialschlachten im Schützengraben. Alles war anders und es gab viel Verluste zu beklagen. Über 200 Amateurrennreiter, die in den Krieg zogen, sollten nicht wieder kommen. Statt Eiserner Kreuze gab es viel Leid und viele Tränen!
Und als das Grauen 1918 vorbei war, war die Welt eine andere. Die meisten Monarchien Europas wurden hinweg gefegt und nicht nur für die Galoppsport begann eine vollkommen neue Zeit. Für den Rennsport bedeutete es eine Zäsur, von der er sich nicht mehr wirklich erholen sollte.
ich liebe alte Geschichten